„Das hat das Niveau von Fachliteratur“

■ Sicherheitsexperte Jörn Pachl über die Verwundbarkeit der DB und Sabotageanleitungen im Internet

Jörn Pachl ist Professor für Eisenbahnwesen und Verkehrssicherung der TU Braunschweig.

taz: Zehn Betonplatten wurden in Berlin am Samstag auf Schienen gelegt, bei Hannover waren es sechs Bäume. Beide Fälle verliefen glimpflich. Wie gefährlich sind Hindernisse auf der Strecke?

Jörn Pachl: Eine Gefahr sind sie schon. Aber Laien unterschätzen oft, was man wirklich auf die Gleise legen muß, um den Zug zum Entgleisen zu bringen. Betonplatten sind schon häufig auf die Strecke gelegt worden: Da passiert in der Regel nichts. Baumstämme müßten wirklich groß sein.

Erfolg hatten Täter, die in Vorpommern die Gleise lockerten: ein Güterzug entgleiste.

Wenn man die Befestigungselemente zwischen Schwelle und Schiene lockert, ist das wesentlich kritischer – vorausgesetzt, es geschieht auf entsprechender Länge. Es reicht nicht, einzelne Elemente zu lockern. Da muß jemand sehr bewußt zu Werke gehen.

Die Bahn benutzt spezielle Preßluftwerkzeuge. Sind die ohne weiteres zu bekommen?

Mechanische Schraubgeräte kriegt man eigentlich gar nicht, weil die nur von Eisenbahnbauunternehmen benutzt werden. Aber es gibt natürlich große Schraubenschlüssel, mit denen man das manuell lösen kann.

Anleitung können sich Saboteure sogar im Internet holen. Eine Seite heißt: „Kleiner Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten aller Art“.

Diese Seite kursiert schon seit längerem: Eine sehr detailierte Anleitung, wie man durch Eingriffe in Signal- und Sicherungssystem der Bahn den Betrieb empfindlich stören kann. Die Verfasser weisen zwar darauf hin, daß man nicht gefährlich eingreifen soll. Aber das Know-how kann natürlich auch anders genutzt werden. Da steckt schon Fachwissen dahinter. Da hat sich jemand, der Anschläge vorhat, die Mühe gemacht, entscheidendes Wissen zusammenzustellen.

Können derartige Informationen nur von Insidern stammen?

Es könnte natürlich sein, daß ein ehemaliger DB-Mitarbeiter geholfen hat. Es kann aber auch sein, daß jemand mit Fachliteratur gearbeitet hat. Jedenfalls geht es über das Wissen eines Eisenbahnfans deutlich hinaus, das ist auf dem Niveau von Fachliteratur.

Kann sich die Bahn angesichts solcher Kompetenz schützen?

Es ist eine neue Form von Kriminalität, Unternehmen zu erpressen, die die Allgemeinheit versorgen – ob das die Bahn ist oder vergiftete Lebensmittel. Man kann versuchen, das am konkreten Fall aufzuklären. Aber einen absoluten Schutz wird es nie geben. Interview: Georg Löwisch