Das bißchen Anschlag bringt hier keinen um

■ Vor der Erpressergruppe „Freunde der Eisenbahn“ fürchtet sich zwischen Zoo und Ostbahnhof niemand. Die Berliner fahren weiter Zug. Angst haben sie schon eher vor Medien und Ausländern

Selbst in bedrohlichen Situationen erweisen sich die Berliner als Freunde der Eisenbahn – Angst vor Anschlägen der Bahnerpresser hat zwischen Ostbahnhof und Zoologischer Garten so gut wie niemand. Bei der Deutschen Bahn AG registriert man derzeit ein „erhöhtes Reiseaufkommen zum Fest“. Dieses entspreche „den Vergleichswerten der vergangenen Jahre“, so Bahnsprecherin Claudia Triebs gestern zur taz. Dabei hatten erst am Montag abend Unbekannte mit einer Bombendrohung dafür gesorgt, daß der Bahnhof Lichtenberg für 20 Minuten gesperrt werden mußte. Einen Zusammenhang mit den Erpressungen schlossen die Verantwortlichen aus.

Tatsächlich scheint Verunsicherung für die meisten Reisenden an den Berliner Fernbahnhöfen ein Fremdwort zu sein. „Bei uns daheim in Rathenow steht überall Polizei auf dem Bahnhof“, vertraut eine Schülerin in der Wartehalle im Bahnhof Zoo auf den Rechtsstaat. Und meint zögernd, „das hilft hoffentlich“. Autostop sei doch gefährlicher, sagt auch Tom (20) „vom Bund“. Auch zwei Rentner vertrauen der Bahn: „Die Medien sollten gar nicht mehr berichten“, meinen sie. Die Presse mache die Angst nur schlimmer.

Die Kundschaft wähnt sich also in Sicherheit. Wie aber sieht es mit dem Personal aus? „Wer nicht fährt, ist selber schuld, sag' ich immer!“ tönt der freundliche Herr mit Schnäuzer und Brille hinter dem Servicesschalter. Schließlich werde „die Strecke von Flugzeugen überwacht“. Die Tornados können auf mehrere Kilometer Entfernung ein Nummernschild entziffern, werden aber nur auf besonders gefährdeten Strecken eingesetzt. Dafür, so meldet dpa, sind die „Schwenkflügler“ mit „Elektronik und Kameras genauso vollgestopft wie über Bosnien“.

Auch lebende Crash-Test- Dummies von Bahn und Bundesgrenzschutz sorgen mittlerweile für Sicherheit. „Leere“ Testzüge, besetzt mit Schaffnern und BGS- Beamten, werden auf einigen Strecken den Personenzügen vorausgeschickt. Beim BGS heißt es, man habe alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Welche, das will der Sprecher des Grenzschutzpräsidiums Ost, Priebe, allerdings nicht verraten.

Verbal entgleist eine Gruppe junger Männer im HipHop-Outfit in der Empfangshalle des Ostbahnhofs. Sie haben keine Angst vor Anschlägen, „nur vor Ausländern“. Florian, Zivildienstleistender aus Friedrichshain, findet es ebenfalls unspektakulär, daß die Deutsche Bahn AG jetzt zehn Millionen Mark zahlen soll: „Ich fahr' nie Bahn, die können machen, was sie wollen.“ Andreas Spannbauer

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