EU kapituliert vor Gentech-Produkten

Umweltratspräsident sieht keine „rechtliche Grundlage“ für ein EU-Moratorium für Freisetzung von genmanipuliertem Saatgut, wie in mehreren EU-Ländern verfügt. Greenpeace: Verbot einzelner Saaten wäre möglich  ■ Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – In der EU wird es vorerst kein Verbot für die Freisetzung von genmanipulierten Organismen geben. Für ein derartiges „Vorgehen in der EU fehlt die Rechtsgrundlage“, erklärte der Präsident des EU-Umweltrats und österreichische Umweltminister Martin Bartenstein. Nachdem in den letzten Wochen der Ruf nach einem Freisetzungsverbot immer lauter geworden war, hatten sich am Montag die europäischen Umweltminister mit dieser Frage beschäftigt. Obwohl in mehreren EU-Mitgliedsstaaten derzeit praktisch schon ein Moratorium für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen bestehen und auch der Umweltausschuß des EU-Parlaments ein Moratorium gefordert hatte, konnten sich die Umweltminister nicht auf eine verbindliche EU-Regelung einigen. Man wolle jedoch, so erklärte Bartenstein, bei der Genehmigung von Freisetzungen mehr Vorsicht walten lassen. Dazu gehöre eine bessere Risikoabschätzung.

Thomas Schweiger vom Brüsseler Greenpeace-Büro hält das für „einen Skandal“. Auch wenn die Umweltminister aus Rechtsgründen kein generelles Verbot erlassen könnten, so hätten sie doch zumindest einzelne Anwendungen, die ein deutliches Risiko darstellten, untersagen müssen. Als Beispiel nannte Schweiger Pflanzen, die als Markierung Gene für Antibiotikaresistenzen enthalten. Sie werden verwendet, um eine erfolgreiche Genübertragung in den manipulierten Organismus leichter erkennen zu können. Ärzte befürchten, daß solche Resistenzen auch auf Krankheitskeime übertragen werden könnten. Die wären dann kaum noch zu bekämpfen.

Wegen eines Resistenzgens darf auch der manipulierte Mais des Gentech-Konzerns Novartis in Frankreich nicht in den Handel. Zwar hatte die EU-Kommission die Vermarktung erlaubt, doch die französischen Behörden hatten im September die diesjährige Ernte sicherstellen lassen. Diese Anordnung wurde vom höchsten französischen Verwaltungsgericht bestätigt. Das Gericht beschloß, den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Immer mehr Länder wehren sich gegen die in der Vergangenheit gentechnikfreundlichen Entscheidungen in der EU-Kommission und riskieren damit Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. So hatte die französische Regierung vor einigen Monaten angekündigt, vorerst kein genmanipuliertes Saatgut mehr zuzulassen. In Dänemark wurde ein einjähriges Moratorium erlassen. Österreich und Luxemburg hatten bereits vorher schon den Import von transgenem Saatgut verboten. Vor kurzem folgte Griechenland diesem Beispiel. Und in Großbritannien hat die Regierung die Saatgutkonzerne überreden können, zunächst auf einzelne Anwendungen freiwillig zu verzichten.

Vor kurzem hatten Vertreter von Novartis angekündigt, daß sie sich gegen ein Moratorium nicht wehren würden. Angeblich soll es in Deutschland auch schon eine freiwillige Vereinbarung geben. Die deutsche Zuckerindustrie soll sich mit den Saatgutunternehmen geeinigt haben, vorerst keine genmanipulierten Zuckerrüben auf den Markt zu bringen. Vergangene Woche scheiterte auch der Versuch des britischen Konzerns Zeneca, Saatgut für seine Antimatschtomaten europaweit zu vermarkten. Bei den Vertretern der Mitgliedsstaaten fand sich keine Mehrheit für die Freigabe.