Subcomandante Marcos spricht

■ Interview am Jahrestag des Chiapas-Massakers: Zapatisten beschuldigen Regierung der Blockade des Friedensprozesses. Neues von Marcos: Er ist verheiratet - mit einer Genossin!

Mexiko-Stadt (AFP) – Aus Anlaß des ersten Jahrestages des Massakers an 45 Indianern im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas hat der Führer der Rebellenorganisation Zapatistisches Nationales Befreiungsheer (EZLN), Subcomandante Marcos, der Regierung die Schuld für den Stillstand in den beiderseitigen Verhandlungen gegeben. In einem Interview mit dem Fernsehsender Televisa sagte Marcos, der vor zwei Jahren begonnene Dialog mit den Zapatistas sei aufgrund eines „politischen Kalküls“ der Staatsführung blockiert. Ziel der Regierung sei, den Konflikt in die Länge zu ziehen, um den Unterstützern der Zapatisten das Wasser abzugraben. Um die Toten und das „Ausmaß der menschlichen Barbarei“ schere sich die Präsidentschaft nicht. Die Regierung mache sich lediglich Sorgen um ihr Ansehen im Ausland.

Subcomandante Marcos, der während des Interviews eine schwarze Wollmütze mit Augenschlitzen trug, gab erstmals preis, daß er mit einer „zapatistischen Genossin“ verheiratet ist. Den Behörden zufolge ist Marcos ein ehemaliger Philosophiestudent namens Rafael Guillen.

Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft hatte das Massaker zuvor als „nicht entschuldbare Barbarei“ bezeichnet, das durch „politische Konflikte“ ausgelöst und „indirekt Folge“ der EZLN-Präsenz in der Region gewesen sei. Die Rebellenarmee hatte sich am Neujahrstag des Jahres 1994 erhoben, um mehr soziale Rechte für die indianische Bevölkerung in Chiapas zu erkämpfen. Die Bluttat vom 22. Dezember sollen Paramilitärs verübt haben, die offenbar Kontakte zu der seit 1929 ununterbrochen regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) unterhielten. Die Opfer waren unter anderem Frauen und Kinder, deren Familien mit den Zapatisten sympathisiert haben sollen.

In dem Weißbuch der Staatsanwaltschaft heißt es, im Zusammenhang mit dem Massaker seien noch 97 Menschen, unter ihnen elf ehemalige Funktionäre, in Haft und warteten auf ihren Prozeß. Als Folge des Massakers von Acteal hatte Zedillo Anfang Januar seinen Innenminister Emilio Chuayffet entlassen. Auch der Gouverneur von Chiapas, Julio Cesar Ruiz Ferro, hatte gehen müssen.