Weihnachten in Hollywood

Ich schwör's bei allen Heiligen des Hanfanbaus, am Gras lag's nicht, daß ich so verwirrt war. Es lag an Weihnachten mit 28 Grad Celsius im Schatten. Nicht gerade die übliche Temperatur im Dezember, in Los Angeles. Aber Weihnachten 1991 war es so warm. Und ich bin mit Freunden zur Christmas-Party eines Freundes gefahren. Nach Hollywood. Ein schwuler Chirurg hatte uns eingeladen, ins Haus seines Bruders. Wir landeten in einer mexikanischen Familie. Was etwas verblüffend war, entsprach der Arzt seinem Aussehen nach doch ganz dem britischen Gentleman.

Die umfängliche, mexikanisch-katholische und, wie sich später herausstellte, noch anderweitig versippte Familie lebte von Immobilien. Offensichtlich hatte der Großvater Anfang des Jahrhunderts, als er aus Mexiko eingewandert war, den Grund und Boden von halb Hollywood aufgekauft. Davon ließ sich noch in der dritten Generation leben. Das Haus war riesig, das Essen hervorragend, der Champagner eine Witwe und der Schmuck der Damen so üppig wie sie selbst. Am verblüffendsten war ein kleines Mädchen von vielleicht sechzehn Monaten, das goldene Chanel-Schühchen trug, erkennbar am enormen CC-Logo.

Bei meiner Erkundigungstour durch das Anwesen stand plötzlich der Hausherr hinter mir. Nuschelte was wie: Do you smoke? – Rauchte ich? Was meinte der? Wollte er ne Zigarette schnorren? Ich hatte niemanden rauchen sehen. Murmelte also etwas unsicher hm, hm, worauf er mich bei der Hand nahm und um den Swimmingpool herum in einen düsteren Verschlag zerrte. Im mageren Licht seines Feuerzeugs waren auf einem hochgelegenen Brett mindestens zehn gutgerollte Tüten erkennbar. Und eine sollte jetzt zum Einsatz kommen. Na klar rauchte ich.

Und dann gingen mir die Lichter auf. Daß nämlich meine Freunde und ich die einzigen Gäste waren und daß dieser ganze kunterbunte Haufen von schwarzen, braunen und weißen Leuten eine einzige Familie bildete! Rauszukriegen, wie das zusammenging, beschäftigte mich dann den Rest des Abends. Wobei ich mich freilich nur daran erinnern kann, daß ich unserem Gastgeber immer wieder begeistert bestätigte: ich verstehe, ich verstehe, Sie sind die Merowinger oder die totale Familie. Aber das verstand er nicht. Niemand kennt in Hollywood Heimito von Doderer. Ich kann die Lektüre nur wärmstens empfehlen. Brigitte Werneburg