Nicht immer gern genommen

Schenken ist eine Kunst, die Einfühlung in den zu Beschenkenden voraussetzt. Kein Wunder, daß so manche freundliche Gabe Verwirrung hervorruft – oder gar schockiert. Ein kleiner Abriß der Historie ungewöhnlicher und manchmal mißlungener Präsente  ■ von Heinz-Günter Hollein

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Die Verpackung dieses Geschenks ist leider nicht überliefert. Aber ob kostbar oder schlicht umwickelt, ein abgeschlagener Kopf spricht allemal für sich. Dachte jedenfalls Potheinos, mächtigster Mann an Ägyptens Königshof und begierig, dem großen Julius Cäsar mit einer diplomatischen Aufmerksamkeit die gewohnte Ehre zu erweisen.

So ließ der beflissene Eunuch den nach Ägypten geflohenen Gnaeus Pompeius um dessen kugeligen Schädel kürzen und harrte erwartungsvoll des Dankes, der da kommen mußte. In seinen Kreisen kam ein stilvoll dargereichter Rivalenkopf schließlich immer an.

Allein, Potheinos hätte besser jemanden gefragt, der sich mit Cäsar auskannte. Pompeius Kopf war – wenn auch kostenneutral – als Geschenk ein klassischer Mißgriff. Dem lebendigen Pompeius hatte Cäsar mit propagandistisch großer Geste Gnade und Versöhnung gewähren wollen. Und jetzt? „Cäsar weinte“, gab der große Feldherr in feinsinniger Knappheit seiner Enttäuschung Ausdruck.

Die allerdings war nachhaltig und zielgerichtet. Der Römer ließ Potheinos' Erzfeindin Kleopatra den Thron besteigen und den unseligen Höfling bei der ersten Gelegenheit „aus dem Weg räumen“, wie Cäsars Biograph Plutarch wenig mitfühlend berichtet. Schade eigentlich, daß Potheinos nicht mehr erlebt hat, daß Cäsar vier Jahre später in Rom selber „aus dem Weg“ geräumt wurde – zu Füßen einer Pompeius-Büste.

Geschenkt ist geschenkt. John Churchill stand nie im Verdacht, kleinlich zu sein. Als Herzog von Marlborough, Prinz des Heiligen Römischen Reiches, erster Feldherr Englands et cetera et cetera hatte er das auch nicht nötig. Bis er von seiner Königin ein Haus geschenkt bekam. Zumindest glaubte er, seine Monarchin so verstanden zu haben. 1704 belohnte ihn Queen Anne für seinen epochalen Sieg bei Blenheim mit den Ländereien von Woodstock Manor. Und – beharrte der Herzog zeitlebens – gab zu erkennen, daß er sich dort auf ihre Kosten ein house errichten solle.

Wie gesagt, der Herzog war nicht kleinlich, und so ging er das Projekt auch an. Von Vanbrugh bis Gibbons war bald die erste Garde englischer Architekten, Raumausstatter und Gartenplaner am Werk. „Nicht ganz so groß wie Versailles, aber doch so etwas in der Art“, so oder ähnlich müssen die Planvorgaben gelautet haben. Bei einem fünf mal anderthalb Kilometer großen Grundstück sollten schließlich auch die Gebäudeproportionen stimmen.

Eingehende Rechnungen reichte John Churchill leichten Herzens an seine Frau Sarah weiter, die als offizielle Bewahrerin der königlichen Privatschatulle schon ihre Pflicht tun würde. Das tat sie so gründlich, daß die Königin nach 220.000 ausgezahlten harten Pfunden über eine Neudefinition ihres „Geschenks“ nachzudenken begann. Mit dem Ergebnis, daß sie sich an nichts mehr erinnern und erst recht nichts mehr zahlen wollte.

Und so standen die Churchills 1712 vor einem unfertigen Bau und einem 45.000- Pfund-Berg an offenen Forderungen. Was etwa dem 1.500fachen eines jährlichen Landarbeiterlohns ihrer Zeit entspricht. Der Herzog schmollte. Er hatte, wie ein Nachfahre gediegen formuliert, „gewisse Vorbehalte“ dagegen, sich für ein vermeintliches Geschenk finanziell zu ruinieren. Aber die Queen blieb hart, und das Verhältnis war bald zerrüttet.

Ebenso wie das zu Steinmetzen, Uhrmachern und Glasern, die den Herzog von einem Gericht vor das nächste zogen. 1716 erlitt der bedauernswerte Churchill einen Schlaganfall. Aber er hielt durch, zahlte 60.000 Pfund aus eigener Kasse und starb sechs Jahre später, kaum daß Blenheim Palace vollendet war.

Sein mehrfacher Urneffe Winston Churchill mochte das house übrigens sehr. Er ließ in den Sälen die fünftausend Zinnsoldaten aufmarschieren, die ihm sein Vater geschenkt hatte. Mit Geschenken waren die Churchills nie kleinlich.

Umtausch ausgeschlossen. „Louis Dieudonn“, der von Gott Geschenkte, hatte ihn sein Vater Ludwig XIII. getauft, als er 1638 endlich – nach vierzehnjähriger Ehe mit Anna von Österreich – den ersehnten Thronfolger in Händen hielt. Impotenz hatte man ihm nachgesagt, Homosexualität und eine unüberwindliche Abscheu gegen seine Frau. Und nun doch: ein Sohn. Oder gleich zwei? Ein geheimer Zwilling als stille Reserve – der Mann in der eisernen Maske?

Der englische Rechercheur und Autor Harry Thompson sieht das ganz anders. Dieudonns, Gottesgeschenke, hießen schließlich auch die vaterlosen Findelkinder. Nach Thompson wäre der vierzehnte dem dreizehnten Ludwig nur untergeschoben worden, um den Fortbestand der Bourbonendynastie zu sichern. Da traf es sich gut, daß mit François de Cavoye als Kapitän der Musketiere ein ebenso ständiger wie unverdächtiger Begleiter Königin Annas bereit und in Kardinal Richelieus Sold stand. Und zudem mit elf ehelichen Kindern als Zeuger ausreichend beleumundet war.

Er ist für Thompson der Samenspender und „Vater zur linken Hand“ des späteren Sonnenkönigs. Edel zwar, aber eben keineswegs von königlichem Geblüt. Ludwigs des XIV. Anrecht auf den Thron wäre mithin null und nichtig gewesen. Was also, wenn ein legitimer Sohn des Musketiers von seines Vaters selbstlosem Geschenk an das Haus Bourbon erfahren und seinen pseudoköniglichen Halbbruder erpreßt hätte? Dann hätte dieser brisante Mitwisser um die wahre Herkunft des Gottesgeschenks um jeden Preis von der Bildfläche verschwinden müssen.

Nun war Ludwig XIV. zwar nicht gerade zart besaitet, aber er war auch die allerkatholischste Majestät. Und einen Brudermord wollte er in seiner Todesstunde nicht zu beichten haben. Und so betritt der Mann mit der Maske – eine aus schwarzem Samt übrigens und nicht aus Eisen – die Bühne der Geschichte. Genau gesagt, eine luxuriöse Zelle irgendwo am Rande des Reiches. Und trefflicherweise verliert sich die Spur von Eustache d'Auger de Cavoye zu genau dem Zeitpunkt, als in Ludwigs geheimer Korrespondenz „der Gefangene“ zum ersten Mal erwähnt wird. Bis zu dessen Tod im Jahre 1703 läßt sich der König die Unterbringung und Bewachung des „Mannes mit der eisernen Maske“ Unsummen kosten. Louis Dieudonn blieb für seinen Vater das einzige Kind, das seine Frau ihm schenkte. Gewundert hat er sich darüber angeblich nie.

Morgengaben an der Krippe. Ein nicht unähnlicher Fall begab sich zu der Zeit, als Cyrenius Landpfleger in Syrien war. Die Frau eines Zimmermanns in Palästina schenkte ihrem Mann einen Sohn, der aller Überlieferung nach nicht von ihm war. Aber der Mann trug es mit Fassung, zumal der Kleine ja einiges mitbrachte. Denn was da diese drei Herren aus dem Osten dem Kinde an die Wiege legten – Gold, Weihrauch und Myrrhe – konnte sich als Alimenteersatz durchaus sehen lassen. Das Dumme war nur, daß sie durch ihre Sucherei nach der Geburtsstätte auch gleich noch den Häschern des Königs von Palästina den Weg wiesen, der in dem Neugeborenen einen unerwünschten Nachfolger als König der Juden witterte.

Nun mußte der Mann auf der Flucht nach Ägypten seinem armen Esel nicht nur Mutter und Kind, sondern noch dazu einen prallen Gabensack aufladen. Es steht zu hoffen, daß sich der Mann in der – nach Cäsar – römischen Provinz die Geschenke gegen eine hübsche Villa mit Nilblick eintauschen konnte.

Nehmen heißt geben. Was das Einsacken unerwarteter Gaben angeht, war er eine Klasse für sich. Homers „herrlicher Dulder“ Odysseus wußte genau, wie man es anstellen mußte, um im großen Stil abzuräumen. Schiffbrüchig und der Beute aus Troja verlustig, hockte er am Hof des Phäakenkönigs Alkinoos und nervte die Tafelrunde allabendlich mit seinen Heldentaten.

Daß er dabei ein unverhohlen lüsternes Auge auf Nausikaa, die Königstochter, und in der matrilokal spätmykenischen Gesellschaft damit auch auf die Nachfolge des Alten warf, wird Alkinoos kaum entgangen sein. In seiner Not, und um endlich wieder seine Ruhe zu haben, hieß der König seine Edlen zusammenlegen: „Kleider für den Fremdling, auch Gold und andere reiche Geschenke.“ Dazu noch ein Schiff samt Besatzung, auf daß der hehre Held nur endlich weiter seiner Wege ziehe.

Das tat der denn auch und schied mit den schlichten Worten: „Ich habe nun alles, was meine Seele gewünscht hat.“ Aufatmend wandte sich Alkinoos wieder dem Herrschen über die Seinen zu und forderte für die überlassenen Pretiosen prompt eine Umlage „vom versammelten Volke“. Denn schließlich: „Einen allein belasten solche Geschenke.“

Ablehnen wäre unhöflich. Gezielt an den Bedürfnissen vorbeizuschenken ist offenbar eine zutiefst englische Sitte. Im August 1944 schenkte die Royal Navy der sowjetischen Eismeerflotte ein ausgedientes Schlachtschiff aus dem Ersten Weltrieg. Die roten Matrosen hätten ein paar moderne U-Boote vorgezogen, aber auf denen fuhren die Briten lieber selbst. Die Sowjets änderten den Namen des alten Trumms vom allzu monarchistischen „Royal Sovereign“ ins bolschwistisch-unverfänglichere „Archangelsk“ und gingen unter dem Mantel eisigen Schweigens zur Tagesordnung über.

Ähnliches widerfuhr dem Monty-Python-Mitglied Michael Palin in Nowgorod. Als Abgesandter seines Wohnortes Watford hatte er dem Bürgermeister der russischen Partnerstadt eine Kristallkaraffe mit Widmung zu überreichen. Nur daß die Widmung in englisch eingraviert war, dessen der Bürgermeister nicht mächtig war. Das Gegengeschenk war ein „hübscher Keramikteller“. Palin erwies sich der Situation jedoch als gewachsen. Die Karaffe könne man immerhin mit Wodka füllen, austrinken, angucken und dann an die Wand werfen. Den Teller könne man mit – nun ja – nichts füllen, angucken und dann auch an die Wand werfen.

Heinz-Günter Hollein, 42, Archäologe, notorischer Englandurlauber und TV-Dokumentarist, lebt in Hamburg und schreibt jeden Sonnabend in der taz-Hamburg Glossen über „die Frau, mit der ich lebe“