Wundersame Wiedergänger

Wenn die Lichter aus sind: Nachtschicht, Franz Wittenbrinks siebter Musikabend, zeigt das Theater bei Mondenschein  ■ Von Barbora Paluskova

Wer meint, daß nachts in einem Theater nur der Pförtner döst und die Mäuse rascheln, hat eigentlich recht. Nur ist das Rechthaben nicht so unterhaltsam wie das Träumen. Das Schauspielhaus will diese Behauptung einen Tag vor Silvester beweisen: Nachtschicht, der neue Liederabend von Franz Wittenbrink, stellt das geheime nächtliche Treiben im Hause vor.

Was könnte passieren, wenn der letzte Mantel abgeholt ist und die Notbeleuchtung eingeschaltet wird? Hat sich ein Pizzaverkäufer im Haus verlaufen? Spukt es im Gemäuer? Es soll da mal eine Schauspielerin gegeben haben, die unbedingt das Gretchen spielen wollte; eine Wiedergängerin? Elf seltsame Gestalten werden durch den Raum irren und aufeinandertreffen – auf die Rollenverteilung darf das Publikum noch bis zur Premiere gespannt bleiben.

Die Struktur ist dagegen von Wittenbrinks früheren Liederabenden her bewährt und wird nur wenig modifiziert: Eine Komposition aus gespielten Szenen, ein wenig gesprochenem Text und sehr viel Musik, das heißt Gesang mit Klavier- und E-Gitarrenbegleitung. Eine „wilde Mischung“ aus Volkslied, Oper und Pop soll es werden, aber nicht mehr so viele deutsche Schlager, denn die pseudoironische Begeisterung dafür geht Franz Wittenbrink mittlerweile auf den Geist. Schlechte Stücke zu zitieren habe aber sehr wohl einen kulturkritischen Sinn, wie der Komponist und Arrangeur erklärt; sie müßten nur besser gesungen werden als das Original. Eine solche Ironie von innen wirke wesentlich stärker als eine schlicht von außen postulierte Ablehnung.

Mit Sekretärinnen und Männer! hat der musikalische Leiter des Schauspielhauses große Hits gelandet. Kleinere Produktionen in der Kantine eingerechnet, ist die Nachtschicht bereits sein siebter Liederabend. Auch jetzt will sich Wittenbrink dem Spiel mit großen Sehnsüchten und der traurigen Realität widmen. Der Unterschied sei, daß er sich diesmal nicht nur an der Realität reibt, sondern auch mythische Vorstellungen und literarische Vorlagen verwendet; so hat er zum Beispiel Gedichte von Eichendorff und Shakespeare vertont.

Und es soll eine Hommage an den Raum und seine Dimensionen werden; eine Art Geburtstagsgeschenk an das Schauspielhaus, das demnächst sein 100 jähriges Jubiläum feiert. Das Publikum wird das Haus aus neuer Perspektive sehen, denn der Zuschauerraum ist auf eine Tribüne mit 200 Sitzplätzen verlegt, die auf der Bühne aufgebaut wird. Die singenden Nachtschwärmer werden sich zwischen Parkett und den Logen tummeln – rechtzeitige Kartenbestellung ist also dringend angeraten.

Premiere: Mittwoch, 30. Dezember, 22 Uhr, Schauspielhaus