Ein Apo-Opa in der nationalen Nische

Bernd Rabehl, einstiger Weggefährte Dutschkes und Studentenrebell, hat die nationale Identität entdeckt  ■ Von Severin Weiland

Berlin (taz) – Die Mitglieder der „Danubia“, einer nichtschlagenden Burschenschaft aus München, hoben zur Sangeskunst an. Nicht nur alte deutsche Volkslieder erklangen, sondern auch Kampflieder der kommunistischen „Freien Deutschen Jugend“ - einige Burschenschaftler sind aus dem Osten. Bernd Rabehl, einst führender Kopf der antiautoritären Studentenbewegung von 1968, staunte. Sein Staunen sollte an diesem Tag nicht einseitig bleiben.

Der 60jährige, der zusammen mit dem einstigen RAF-Mitglied Horst Mahler und dem Berliner Philosophie-Professor Peter Furth von der Burschenschaft zu den „Bogenhausener Gesprächen“ eingeladen worden war, sollte an diesem Tag mit einem nationalen Diskurs die rund 100 Zuhörer erfreuen. In seinem Vortrag stilisierte Rabehl, Soziologieprofessor an der Freien Universität in Berlin, sich und seinen einstigen Weggefährten aus Zeiten der 68er Studentenrebellion, Rudi Dutschke, zu Vorkämpfern der nationalen Sache.

Die „Idee einer nationalrevolutionären Überwindung der Teilung Deutschlands“, wie sie Dutschke vorgehabt habe, sei damals innerhalb der Linken „mit allen Mitteln bekämpft“ worden. Eine „grundlegende Zerstörung von Volk und Kultur“ will Rabehl mittlerweile in Europa durch „politische Überfremdung“ festgestellt haben (siehe Dokumentation auf dieser Seite).

Politische Gruppen wie die kurdische PKK nutzten Deutschland als „strategische Rückzugs- und Versorgungsgebiete“, würden so „Bürgerkriegskonstellationen“ hineintragen in die „jeweils europäischen und nationalen Gemeinschaften“.

Kaum überraschend fand der Vortrag Rabehls bei der Jungen Freiheit Gefallen. Die Wochenzeitung, seit Jahren vom nordrhein- westfälischen Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik Rechtsextremismus aufgelistet, druckte Rabehls Rede in ihrer jüngsten Ausgabe auszugsweise auf einer Doppelseite ab.

Das ist Rabehl unangenehm. Dies sei ohne sein Einverständnis und ohne seine Kenntnis erfolgt, sagt er gegenüber der taz. Nun befürchtet er, in die „neofaschistische Ecke gedrückt zu werden“.

Den Kontakt zur Burschenschaft „Danubia“ habe vor Monaten ein Mitglied des „Hofgeismarkreis“ hergestellt, sagt Rabehl. Diese Vereinigung rechter Jungsozialisten aus Leipzig, innerparteilich höchst umstritten, setzt sich seit Anfang der 90er Jahre für eine „linkspatriotische“ und „konstruktive nationale Politik“ ein. Zu den Mentoren der jungen Sozialdemokraten aus dem Osten gehört Tilman Fichter, einst wie Rabehl Mitglied des Sozialistischen Studentenbundes (SDS), später kurze Zeit Leiter der SPD-Parteischule unter dem Parteichef Willy Brandt und seit über zehn Jahren ein Streiter für die „nationale Identität“ in der Linken. Mit dem Außenseiter in der SPD pflegt Rabehl regelmäßigen Kontakt. Ansonsten aber ist er, der sich selbst als „unabhängigen Linken“ bezeichnet, weitgehend isoliert. Einstige Weggefährten aus SDS-Zeiten, mit denen er in Berlin 1967/68 gegen den Vietnam-Krieg und die Springer- Presse protesttierte, wollen heute nichts mehr mit ihm zu tun haben – als die taz in diesem Jahr zu ihrem 19. Geburtstag die aktuelle Ausgabe durch eine Gruppe früherer SDSler und Achtundsechziger machen ließ, erklärten einige vorab, sie würden nicht kommen, wenn Rabehl auch dabei sei.

Im Gespräch mit der taz erklärt sich Rabehl zum „Einzelgänger“. Ihm schmerze es „regelrecht körperlich“, Fernsehen anzuschauen. Diesen ganzen „Talk- und Freude- Quatsch“ könne er nicht mehr ertragen, der Abschied „jeder Reflexion“, die Auflösung „aller Identitäten, von der Arbeiterklasse bis zur nationalen“, mache ihn krank. Nüchtern konstatiert er: „Ich kenne kaum noch Leute, die ähnlich denken wie ich.“