Ein Büffet, ein bißchen Sekt und eine Putzkolonne

■ Silvester fand bereits statt: Wie ein paar Freunde einem Sender eine Party inszenierten

Am 31. Dezember 1998, kurz vor 24 Uhr, wird Mitri Sirin hinter einem silbernen Mikrofon aus den 30er Jahren stehen und zählen: zehn, neu, acht, sieben ... Bei Null ist Mitternacht, und Mitri, Ruth, Eva und Dieter werden sich jubelnd ein frohes 1999 wünschen.

Wenig später werden die vier Moderatoren der Minisender TV Berlin und TV München mit anderen Partygästen im Wohnzimmer tanzen. Zwei Frauen beginnen, Mitri und Dieter lasziv zu umgarnen, Federboas zu schwingen und sich langsam auszuziehen. Dieter mogelt sich zunächst leicht geschockt unauffällig von der Tanzfläche (er habe nichts gewußt von dem Strip, erzählt er später). Doch dann spielt er, wahrscheinlich auf Anweisung des Producers, mit und läßt sich von einer der Frauen antanzen. Die hat schon bald nichts mehr an außer einem Tanga und öffnet Dieter die Krawatte. Zwei Kameras schauen zu.

Es kann natürlich auch sein, daß diese Tanzeinlage vor Mitternacht spielt, je nachdem, wie die Szenen aneinandergeschnitten werden, um den Eindruck einer echten Silvesterparty entstehen zu lassen. Die am 31. Dezember live gefeiert wird, auf TV Berlin und TV München. In Wirklichkeit haben Ruth Moschner und Mitri Sirin aus Berlin, Eva Grünbauer und Dietmar Deffner aus München schon längst Silvester gefeiert, in einer großen Altbauwohnung in Berlin-Charlottenburg. Große Sender mieten ja teure Studios und gefragte Stars, um vorfeiern zu lassen. Aber TV B und TV M sind arme Regionalsender. Sie fragten die Mieter der Wohnung, ob sie nicht umsonst eine Party feiern wollten. Inklusive Putzkolonne am Morgen danach. Die sagten ja und luden 100 Freunde als kostenlos abfilmbares Publikum ein.

TV Berlin hängte Luftschlangen auf, lud eine schwule Cheerleadergruppe ein, engagierte die beiden Nackttänzerinnen, spendierte ein kaltes Büffet und einige Flaschen Sekt. Das Bier sponsorte die Brauerei. Zum Dank dafür mußten die vier „Große Freizeit“- Moderatoren sich demonstrativ mit Schultheiss zuprosten und sagen: Das trinkt man hier so in Berlin. Dieter, Eva, Ruth und Mitri tanzten auch immer im Mittelpunkt und sollten so tun, als würden sie gerade eine tolle Privatparty feiern, bei der die Kameras nur rein zufällig dabei sind.

Nur: „Wer soll das eigentlich gucken?“, fragte irgendwann auch TV M-Moderator Dieter. „Wahrscheinlich irgendwelche Voyeure oder alte Leute, die nichts zu tun haben“, sagte er dann. Und fügte hinzu, daß er sich dieses Jahr Silvester nicht allzu öffentlich in München zeigen darf. „Ich kann Silvester nicht auf die Straße, sonst merken die Leute, daß das Ganze ein Fake ist.“ Ariel Hauptmeier