■ Ein unumkehrbarer Atomausstieg ist demokratisch nicht machbar
: Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Im Zusammenhang mit dem rot-grünen Atomausstieg ist eines der schwierigsten Probleme, wie man es politisch und rechtlich hinkriegen kann, daß der Atomausstieg zukünftig nicht wieder rückgängig gemacht werden kann.

Verschiedene rechtliche Modelle werden diskutiert, ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Bundesregierung und Atomindustrie, ein Gesetz oder am besten beides. Man kann auch Vertragsstrafen vereinbaren. Was aber, wenn nach einer Bundestagswahl, etwa in acht Jahren, ein neuer Bundeskanzler den Ausstiegs-Deal zerreißt und befristete Betriebsgenehmigungen wieder in unbefristete umwandelt? Sofern der neue Vertrag oder das neue Gesetz nicht gegen die Verfassung verstößt, ist und bleibt die Änderung von Verträgen und von Gesetzen in unserem Rechtssystem möglich. Und das ist gut so.

Rezzo Schlauch, grüner Fraktionsvorsitzender, sagt dazu: „Wenn wir eine Vereinbarung über den Atomausstieg abschließen, dann muß sie wasserdicht sein.“ Das ist ein frommer Wunsch – und ein falscher überdies. Denn eine wasserdichte Regelung, die den Atomausstieg juristisch unumkehrbar macht, ist weder rechtlich noch politisch möglich – und auch nicht wünschbar. Vorausgeschickt: Ich halte den möglichst baldigen Atomausstieg für notwendig, und zwar wegen der Unumkehrbarkeit der Technologie, die nachfolgenden Generationen Atommüll für Zehntausende von Jahren beschert. Die Grünen haben stets für eine Politik gekämpft, die die Entscheidungsfreiheit der nachfolgenden Generationen mit bedenkt und diesen eine Rückholbarkeit der getroffenen Entscheidungen offenläßt.

Aber was für die Umweltpolitik gilt, muß auch für den demokratischen Willensbildungsprozeß gelten. Er ist nur begrenzbar durch die grundrechtlich abgesicherten Menschenrechte und demokratischen Rechte. Auch wenn wir uns noch so sicher sind, daß die Atomenergie gefährliche, nicht rückholbare Auswirkungen hat – die Suche nach einer juristischen Konstruktion, die die zukünftigen demokratischen Willensbildungsprozesse des Souveräns überdauert, ist schlicht antidemokratisch oder naiv. Der (gute) Zweck heiligt nicht die Mittel. Das haben in der Vergangenheit gerade die Linken oft vergessen.

Es hilft also nichts: Der Atomausstieg muß mit einem Gesetz und/oder einem Vertrag beschlossen und umgesetzt werden. Doch wenn eine andere parlamentarische Mehrheit vom Souverän gewählt wird, die das ändern will, helfen nur demokratischer Streit und politische Überzeugungskraft. Ulrike Riedel

war Staatssekretärin in Hessen und ist derzeit Rechtsanwältin in Berlin