■ Nebensachen aus Peking
: taz-Mietkampf beim Außenministerium

Direkt vor dem Tor zum berühmten Seidenmarkt, nur wenige Schritte von der US-amerikanischen Botschaft entfernt, steht inmitten der chinesischen Hauptstadt ein kleines Bürogebäude, auf dem in golden lackierten Metallbuchstaben die Lettern „Kindly Commercial Center“ glänzen. Hinter den mit altmodischen Touristenplakaten geschmückten Mauern unterhält die taz gemeinsam mit der Zeit seit einem Jahr ein Büro. Eine gute Adresse, möchte man meinen. Doch eines Tages im November ging es vor den Türen des freundlichen Geschäftszentrum gar nicht mehr freundlich zu.

Aufgebrachte Demonstranten hatten zwischen unserer Garküche im hinteren Hofeck und dem von Madame Liu wie immer frisch geputzten Glasportal des Hauptgebäudes ein zehn Meter langes, leuchtend gelbes Plakat entrollt, auf dem in chinesischen Zeichen und europäischer Schrift geschrieben stand: „Hsu Kuo Chiang, der Präsident des IIP-Büros, ist ein Schwindler! Das chinesische Volk ist betrogen worden. Präsident Clinton wird eingeladen, das Problem zu lösen.“ Wie konnte so etwas ausgerechnet vor unserer Haustür passieren?

Herr Hsu war doch der nette, freundliche Herr aus Taiwan gewesen, der immer nur im besten Anzug erschien und der Bürogemeinde unseres Hauses zur Ehre gereichte. Nun aber erklärten uns ein Dutzend bitterarme Pekinger Immobilienspekulanten, daß sie Herrn Hsu ihr Geld gegeben hatten, um Land in Florida zu kaufen. Wer drei Grundstücke gekauft hätte, dem sei sogar ein amerikanisches Visum garantiert worden. Herr Hsu hätte ihnen die Verträge mit dem Stempel der US-Botschaft gezeigt. Deswegen seien auch die Amerikaner schuld. Denn nun sei Herr Hsu mit ihrem Geld entschwunden, und niemand weiß wohin. Welch ein Pech! Wir anderen Hausmieter konnte immerhin Mitleid spenden. Natürlich wären auch wir auf Herrn Hsu hereingefallen. Er machte ja so einen ordentlichen Eindruck.

Das Problem ist in China keineswegs ein Einzelfall. Überall gibt es falsche Zecher, die einem gerade zu etwas gekommenen Restaurantbesitzer oder Autohändler mit faulen Tricks wieder das Geld aus der Tasche ziehen. Neu aber ist, das die Betroffenen protestieren. In Peking demonstrierten zuletzt jede Woche ein paar hundert Betrogene vor einer bankrotten Investmentbank. Und so riefen wir Fernsehen und Radio herbei, damit die Demonstranten vor unserer Tür auf ihre Kosten kamen. Doch wir hätten es lieber bleiben lassen sollen.

Unser properes Bürohäuschen gehört nämlich der Dienstleistungsbehörde des Pekinger Außenministeriums. Unter ihrem Dach fühlten wir uns als Journalisten bisher sicher. Doch Pustekuchen: Irgendeinem schlauen Beamten kam der Skandal um Herrn Hsu zu Ohr, und schon benutzte er ihn, um den Manager unseres Anwesens zu feuern und dem Gebäude einem besser bezahlten Dienstzweck zu verordnen. Mitte Dezember bekamen alle Büros die Kündigung, obwohl die Mietverträge zum Teil auf mehrere Jahre hin ausgestellt waren.

Jetzt mußten wir uns zusammenraufen: Der britische Economist, die deutsche Wirtschaftswoche, die italienische Inter-Press- Service-Agentur, das amerikanische National Public Radio gemeinsam mit taz und Zeit berichteten ihren Ärger dem Sprecher des Außenministeriums, Zhu Bangzhao. Der rief prompt zurück und lud uns sechs Journalisten zum Neujahrsgespräch ins Ministerium. War die Kündigung also doch nicht so ernst gemeint? Das weiß man in China nie. Wir hoffen nun auf Herrn Zhu, und daß er ein bessserer Mensch ist als Herr Hsu. Georg Blume