Der Rückenwind von Wahlterminen soll siegen helfen

■ Nach Niederlagen setzen die GegnerInnen der Schreibregeln auf Bremen und Berlin. Damit die Wahlbeteiligung hoch ist, wollen sie Volksentscheide zeitgleich mit Landtagswahlen abhalten

In fast allen Bundesländern bemühen sich die GegnerInnen der neuen Schreibweise, die umstrittene Reform noch zu verhindern.

In Schleswig-Holstein haben sie es bereits geschafft. Am 27. September 1998, zeitgleich mit den Bundestagswahlen, erreichten die ReformgegnerInnen ihren ersten plebiszitären Erfolg. An dieser Gesetzgebung durch das Volk beteiligten sich 70 Prozent der Wahlberechtigten, 56 Prozent von ihnen votierten gegen die neue Schreibweise. An den Schulen in Schleswig-Holstein wird deshalb nun wieder nach den alten Regeln unterrichtet.

In Niedersachsen scheiterte dagegen im Mai 1998 ein Volksbegehren. Nur 277.000 statt der geforderten 593.000 BürgerInnen (10 Prozent der Wahlberechtigten) beteiligten sich. Es wird daher nicht zur Volksabstimmung kommen.

In Bayern sammelte der Lehrer Friedrich Denk 49.000 Unterschriften für die Zulassung eines Volksbegehrens gegen Neuschreib (25.000 Stimmen hätten genügt). Im zweiten Schritt, dem Volksbegehren, müßten aber 880.000 BayerInnen binnen zwei Wochen an die Urnen – daher bewahrte Denk die Unterschriften lieber in einem Schuhkarton im Keller auf. Die BürgerInnen des Landes Schleswig-Holstein, tobte der Rechtschreibrebell später, hätten stellvertretend für das gesamte deutsche Volk in einer urdemokratischen Wahl die Reform abgelehnt.

In Nordrhein-Westfalen unterzeichneten 10.000 Menschen den Antrag auf ein Volksbegehren – 3.000 wären für die Zulassung nötig gewesen. Weil in einem zweiten Schritt innerhalb von zwei Wochen 2,6 Millionen Stimmzettel zur Reform abgegeben werden müßten – Nordrhein-Westfalen ist das plebiszitfeindlichste Land –, verzichteten die RechtschreibgegnerInnen darauf.

20.000 Unterschriften für ein Volksbegehren kamen in Sachsen zusammen – 40.000 Unterzeichner wären nötig gewesen. Auch in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg scheiterten Unterschriftensammlungen für ein Volksbegehren an der Zulassung.

In Berlin sammeln SprachbewahrerInnen seit September 1998 für eine Zulassung zum Volksbegehren. „Ungefähr die Hälfte“ der notwendigen 25.000 Unterschriften seien nach Ablauf der halben Sammelfrist erreicht, erklärt die Initiative. Die Berliner ReformgegnerInnen setzen darauf, die erste (Zulassung) und zweite Hürde (Volksbegehren: 250.000 Unterschriften) zu schaffen – um im September bei den Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus das Quorum für einen Volksentscheid zu erreichen (33 Prozent der 2,5 Millionen Stimmberechtigten müssen zustimmen).

Ihren zweiten Erfolg erwarten die Sprachbewahrer in Bremen. Die Zulassung zum Volksbegehren haben die Bremer mit rund 8.000 Unterschriften geschafft – 5.000 waren nötig gewesen. Genehmigt der Landeswahlleiter das Verfahren, müßten insgesamt 52.000 Unterschriften zusammenkommen. Käme dann der Volksentscheid zustande, wäre er erfolgreich, wenn 25 Prozent der Wahlberechtigten (rund 130.000) gegen die Reform stimmten. Die ReformgegnerInnen wollen das schaffen, indem sie die Bürgerschaftswahlen im Juni 1999 mit dem Volksentscheid koppeln.