Kommentar
: Der Krieg rückt näher

■ Kosovo: Die Nato ist unsicher, ob und wann sie eingreifen soll

Der weihnachtliche Geschützdonner im Kosovo ist wohl nur ein Vorbote dessen, was auf die Provinz im Frühling zuzukommen droht, wenn der Schnee geschmolzen ist. Denn nichts deutet darauf hin, daß man einer politischen Lösung nähergekommen ist. So setzen beide Seiten auf Krieg.

Im Oktober hatte der Despot von Belgrad unter der Drohung militärischer Schläge ein Agreement unterzeichnet, indem er sich zum partiellen Rückzug der Sondereinheiten der Polizei aus der Kriegsprovinz und zur Tolerierung von OSZE-Beobachtern verpflichtete. Man kann an der Übereinkunft vieles bemäkeln. Doch hat sie zumindest das Überleben von Zehntausenden Flüchtlingen gesichert. Sie konnten rechtzeitig vor dem Winter aus den Wäldern zurückkehren – oft in zerschossene, verbrannte Dörfer.

Doch politisch herrscht Stillstand. Der US-Vermittler Hill hat bisher etwa fünf Varianten eines Plans vorgelegt. Die letzte wurde von beiden Seiten abgelehnt. Die Serben fordern, daß der Kosovo bei Serbien verbleibt, und lehnen eine Lösung ab, die die Provinz neben Montenegro und Serbien als dritte Republik Jugoslawiens etablieren würde. Einen solchen Kompromiß würden die gemäßigten albanischen Kreise um Präsident Ibrahim Rugova für eine Übergangsperiode akzeptieren, während die UCK-Hardliner jede Formel zurückweisen, die nicht die Unabhängigkeit des Kosovo festschreibt.

Und so rückt das Horrorszenario der internationalen Diplomatie jeden Tag ein bißchen näher: OSZE-Beobachter zwischen allen Fronten, vielleicht erschossen, vielleicht als Geisel genommen. Aus dem bosnischen Drama klug geworden, hat nun der Westen mit den unbewaffneten Beobachtern gleichzeitig deren bewaffnete Beschützer entsandt. Der Auftrag der in Makedonien stationierten Nato-Truppen ist im Grundsatz klar, und inzwischen ist wohl Konsens, daß sie notfalls ohne UN-Mandat eingreifen sollen.

Doch wann ist der Notfall gegeben? Welche konkreten Voraussetzungen vor Ort rechtfertigen eine Intervention? Wer entscheidet letztlich? Der Klärungsbedarf ist groß, und die Uhr tickt. Je mehr offene Fragen aber, desto größer ist der Spielraum von Slobodan Milošević. Er hat es bisher virtuos verstanden, Unklarheiten auszunutzen, seine Verhandlungspartner gegeneinander auszuspielen und Zeit zu gewinnen. Bislang war es immer Zeit für weitere Zerstörung. Thomas Schmid