Kein Weihnachtsfriede im Kosovo

■ In der serbischen Provinz droht eine neue Eskalation. Serbische Streitkräfte und die albanische Befreiungsarmee UCK liefern sich die schwersten Gefechte seit Monaten. Vergeltungsschläge von beiden Seiten mit neuen Opfern

Priština (taz) – Bei klirrender Kälte sind über Weihnachten im Kosovo wieder schwere Kämpfe ausgebrochen. Erstmals seit Anfang Oktober, als die UCK-Guerilla einen Waffenstillstand erklärte, war auch in der Provinzhauptstadt Priština wieder Geschützfeuer zu hören. Das Oberkommando der UCK hatte den Waffenstillstand widerrufen, nachdem serbische Streitkräfte bei einem Angriff auf das Dorf Lapastica bei Podujevo im Norden des Kosovo neun Albaner getötet hatten.

Der serbische Angriff war offenbar die Antwort auf die Ermordung eines serbischen Polizisten in Podujevo. Nachdem am ersten Weihnachtstag wieder etwas Ruhe eingekehrt war, spitzte sich die Lage am zweiten Weihnachtstag weiter zu. In Obrandza, einem von der UCK kontrollierten Nachbardorf von Lapastica, wurde ein serbischer Rentner erschossen. Das serbische Medienzentrum in Priština sprach unter Berufung auf die Ehefrau des Toten von kaltblütigem Mord am letzten noch im Dorf verbliebenen Serben. Die albanische Zeitung Koha Ditore hingegen behauptet, dieselbe Frau habe ihr gegenüber die UCK-Version bestätigt. Danach sollen drei serbische Männer eine UCK- Gruppe beschossen haben, von denen zwei sich schließlich ergeben hätten und der dritte von der UCK getötet wurde.

Dieser Vorfall war für die serbischen Streitkräfte Anlaß, Vergeltung zu üben. Noch am selben Tag griffen sie mit 40 Panzern sechs Dörfer bei Podujevo an. Ein Beobachterteam der OSZE wurde mit vorgehaltener Waffe zur Umkehr gezwungen, die Bewohner flohen. Am Sonntag morgen setzten serbische Sondereinheiten in der Umgebung von Podujevo erneut schweres Artilleriegeschütz ein.

Unter dem Geschützdonner kaum wahrgenommen, geht eine andere Abrechnung weiter. In den vergangenen Tagen wurden 15 Albaner wegen „Terrorismus und staatsfeindlicher Umtriebe“ zu Gefängnisstrafen zwischen drei und zehn Jahren verurteilt, unter ihnen Berat Luzha, der Präsident der kosovoalbanischen Vereinigung für politische Gefangene. Thomas Schmid Bericht Seite 2