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: Warum ich manchmal Angst vor Jackie habe

In den letzten Tagen habe ich mich manchmal gefragt: Wo ist Jackie? Hätte ich sie nicht in einem der Kriegsberichte aus Bagdad sehen müssen?

Zum ersten Mal traf ich Jackie im Jahre 1992 in Prag. Die Erinnerung an die bewegten Tage der „Samtenen Revolution“ waren schon etwas verblaßt. Neue, dramatische Ereignisse standen vor der Tür: Die Spaltung des Landes in einen slowakischen und einen tschechischen Teil. Das alles vor dem Hintergrund des Krieges im ehemaligen Jugoslawien, nur ein paar hundert Kilometer südwärts.

In jenen Tagen also lernte ich in Prag Jackie kennen, die sympathische und rührige Korrespondentin eines großen amerikanischen Nachrichtensenders. Wir hatten ein angenehmes Gespräch. Später versuchte ich sie in ihrem Prager Büro zu erreichen. Vergebens. Sie war stets unterwegs, immer da, wo kriegerische Auseinandersetzungen tobten. Doch ganz mußte ich auf sie nicht verzichten. Ich konnte Jackie gelegentlich auf dem Bildschirm sehen – in Kroatien, Bosnien, Tschetschenien und auf anderen Kriegsschauplätzen der Welt.

Erst im nachhinein kombinierte ich, warum ich Jackie in Prag zwar kennengelernt hatte, sie aber nie dort antraf. Hatte sie ursprünglich ihre Zelte an der Moldau nur deshalb aufgeschlagen, um bald, vor Ort, über einen anstehenden slowakisch-tschechischen Bürgerkrieg zu berichten? Ein absurder Gedanke zwar, doch vieles, was wir für absolut unwahrscheinlich hielten, wurde in den neunziger Jahren wahr.

Glücklicherweise war für Jackie in Prag nichts zu holen. Das fand ich beruhigend, denn zufällig liegt mir Prag ganz besonders am Herzen. Natürlich hätte ich es gut gefunden, wenn Jackie aus Mangel an Kriegen gezwungen gewesen wäre, sich ihren journalistischen Aufstieg etwa mit Reiseberichten oder Gesundheitsreports zu erarbeiten. Also bedauerte ich damals bei jedem von Jackies Kriegsberichten die Gründe, die zu ihm geführt hatten. Andererseits freute ich mich leise, daß die Orte, von denen er kam, ein wenig weiter weg von Prag lagen.

Aus Bagdad hat Jackie diesmal nicht berichtet. Zugegeben, Bagdad, das war ein ganz besonderes Kaliber. Eher etwas für Christiana Amanpour, die zur Chefkorrespondentin aufgestiegene Kriegsreporterin des CNN. Doch Bagdad ist nicht das einzige, was ansteht. Wo packt Jackie ihre Koffer aus, während sie Christiana in Bagdad gerade wieder gepackt hat, frage ich mich heute.

Übrigens, vor einem Jahr traf ich Jackie zufällig in Berlin, am Bahnhof Zoo. Das freute mich, einerseits. Denn wir hatten wieder ein nettes Gespräch. Nachträglich beunruhigte mich aber ein wenig der Umstand, daß ich sie hier traf. Denn auch Berlin ist mir ans Herz gewachsen. Ich entschloß mich, in Berlin zu bleiben, denn sie hatte keine kugelsichere Weste an. Richard Szklorz