■ Israel: Das rechte und das linke Lager zersplittern zusehends
: Last exit: Große Koalition

Am 27. Mai wird gewählt. Darauf haben sich die Parteien in Israel geeinigt. Nicht ohne Grund. Am 4.Mai will Palästinenserpräsident Arafat seinen Staat ausrufen. Ohne Einfluß auf die israelischen Wahlen wird eine solche Erklärung nicht bleiben. Aller Voraussicht nach wird sie das rechte Lager stärken.

Als deren Mentor hat sich Benni Begin, der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten, offiziell geoutet. Er kandidiert als Chef einer rechten Partei des nationalen Lagers. Chancen hat er nicht. Zwar wird er im ersten Wahlgang Stimmen der Rechten von Netanjahu abziehen. Doch bei einem zweiten Wahlgang kann er nicht anders, als seine Unterstützung für den „Lügner und Verräter“, wie Netanjahu inzwischen im „nationalen Lager“ heißt, abzugeben. Das kleinere Übel ist auch in Israel wählbar.

Aber auch der sogenannten Linken droht Verdruß. Unter Dan Meridor, dem Ex-Finanzminister, oder dem Ex-Generalstabschef Amnon Lipkin-Schakah wird eine zentristische Partei antreten, die dem linken Lager Stimmen wegnehmen wird. Generell zu erwarten ist, daß beide großen Parteien, Likud wie Arbeitspartei, Einfluß und Abgeordnete verlieren werden.

Diese Zersplitterung wird eine Regierungsbildung nicht einfacher machen. Und selbst ein direkt gewählter Ministerpräsident wird kaum über die Stärke verfügen, ein akzeptables Korsett zu schnüren. Am Ende dürfte deshalb nur die Frage stehen, wer einer Großen Koalition vorstehen wird, Netanjahu oder Barak. Und sollten beide gleich schlecht abschneiden, ist auch eine Rotation nicht undenkbar.

Die Aufsplitterung der Parteien in Israel, zu der die religiösen Fraktionen ebenso beitragen wie die ethnischen, vor allem die Schas-Partei und die russische Israel BaAliya, macht Prognosen über den Wahlausgang fast unmöglich. Für den Friedensprozeß bedeutet dies erst einmal das faktische Aus. Der zeitliche Rahmen von Wye ist ohnehin schon gesprengt. Und ob ein vergleichbarer je in Kraft gesetzt wird, ist zumindest dahingestellt. Netanjahu hat das Wye-Abkommen in seiner Koalition nicht durchbringen können, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung für Frieden mit den Palästinensern und den Fortgang des Oslo-Prozesses votiert. Wenn dies bei den Wahlen auch nur einmal wirklich zum Ausdruck kommen würde, seufzen die Palästinenser.

De Gaulle, der den Rückzug Frankreichs aus Algerien organisierte, ist ein häufig zitiertes Beispiel auf palästinensischer Seite, wenn es um den „Frieden der Mutigen“ geht, den Rabin in Arafats Worten einging. Der israelische de Gaulle, so scheint es, muß erst noch geboren werden. Georg Baltissen