Der Krieg herrscht vor allem in den Köpfen

■ Ruandische Hutu-Flüchtlinge in Ostafrika heizen laut UNO mit Waffenschmuggel die Kriege in der Region an. Augenschein bei Hutu-Exilanten in Kenia: Sie streiten eher um den Krieg, als ihn zu führen

Nairobi (taz) – Alle Gesprächspartner bestehen darauf: keine Namen, keine Titel, keine besonderen Kennzeichen nennen. Treffen werden über Strohmänner ausgemacht, die Gesprächspartner tauchen so unvermittelt auf, wie sie verschwinden – im Dickicht der Millionenstadt Nairobi.

Die Gemeinde der ruandischen Hutu-Flüchtlinge in Kenia ist untergetaucht. Kürzlich sind die Exil- Hutus in Ostafrika durch einen UN-Untersuchungsbericht ins Gerede gekommen: Prominente Mitglieder der ehemaligen ruandischen Hutu-Armee und der Hutu- Miliz Interahamwe, die im kenianischen Mombasa und in Tansanias Hauptstadt Daressalam lebten, seien „wie andere bewaffnete Gruppen in der Region“ in den Drogenhandel involviert, um Waffenkäufe zu finanzieren. Die Hutu- Gemeinde sammle Geld für den andauernden Krieg von Hutu-Milizen gegen die Regierung in Ruanda, und es fänden Rekrutierungen statt, hieß es bereits im August in einem Vorbericht.

Ein weiteres Ergebnis des Berichtes ist, daß die Hutu-Milizen in Ruanda seit einigen Monaten vermehrt von der Regierung der Demokratischen Republik Kongo unter Laurent Kabila und seinen militärischen Verbündeten versorgt werden. Der Beitrag der Hutu-Gemeinde in Kenia zum Krieg in Ruanda sei zwar noch „bedeutend“, aber „nachlassend“.

Ist Kenia also noch Operationsgebiet der Hutu-Extremisten? Die mehreren tausend ruandischen Hutu-Flüchtlinge in Kenia, die 1994 nach dem Sturz des für den Völkermord in Ruanda verantwortlichen Hutu-Regimes hierher kamen, leben zum Großteil in der Illegalität. Um sich beim UNHCR um den Flüchtlingsstatus zu bemühen, den sie brauchen, um Anspruch auf Hilfe zu haben, gingen sie zur kenianischen Meldebehörde. Dort bekamen sie jedoch anstatt einer Aufenthaltsgenehmigung die Anweisung, das Land zu verlassen, wenn „sie die entsprechenden Mittel dazu haben“. Das gab ihnen den Vorwand, nicht auszureisen, macht sie jedoch seither auch für Erpressung durch die Sicherheitskräfte anfällig, wenn sie aufgegriffen werden.

Ein erstes Ergebnis der UN-Recherchen war die Behauptung, daß der bekannte ruandische Oppositionelle Seth Sendashonga mit der Rekrutierung von Freiwilligen in Kenia begonnen habe, um aus Flüchtlingslagern in Tansania eine „zweite Front“ für den Hutu-Milizenkrieg in Ruanda zu eröffnen. Sendashonga war in der ersten Regierung nach dem Völkermord in Ruanda 1994 Innenminister, zerstritt sich aber dann mit der neuen Regierung und ging ins Exil nach Kenia. Dort galt er als vergleichsweise moderat. „Ich habe dieses Gerücht auch gehört“, sagt ein Vertrauter Sendashongas und ehemaliges Mitglied seiner Bewegung „Front de Résistance pour la Démocratie“ (FRD). „Aber das ist ein Mißverständnis. Sendashonga blieb seiner Linie treu, politisch zugleich gegen die Regierung und gegen die Extremisten zu kämpfen. Und außerdem hätte er überhaupt kein Geld gehabt, um die Rekruten zu bezahlen.“

Sendashonga wurde im Mai in einem Hinterhalt in Nairobi erschossen. In der ruandischen Gemeinde in der kenianischen Hauptstadt gibt es wenig Zweifel, wer dahinter stand: Ruandas Regierung. Sendashonga war schon einmal bei einem Anschlag 1996 verletzt worden, bei dem sein Neffe umkam. Die ruandische Regierung weigerte sich damals, die diplomatische Immmunität des Hauptverdächtigen, eines ihrer Botschaftsangestellen, aufzuheben, woraufhin die ruandische Vertretung in Nairobi über ein Jahr geschlossen wurde. Nach dem Attentat vom Mai sollen die kenianischen Sicherheitskräfte eine Mitteilung an die ruandische Botschaft in Nairobi abgefangen haben, in dem die Ausführung des Anschlages bestätigt wurde.

Nach der Ermordung Sendashongas gründeten ehemalige FRD-Mitglieder Ende September im schweizerischen Lausanne den „Congrès Démocratique Africain“ (CDA). In dem Gründungsdokument wird das Töten der Hutu-Milizen in Ruanda ebenso verurteilt wie die Übergriffe „der Tutsi-Extremisten der aktuellen ruandischen Regierung“. Allerdings hat Faustin Twagiramungu, Ex-Ministerpräsident Ruandas, der 1995 gemeinsam mit Sendashonga ins Exil ging und mit ihm die FRD gründete, das Gründungsdokument nicht mitunterzeichnet. Es heißt, für ihn sei es zu moderat.

Einige Dinge ändern sich in der ruandischen Politik offenbar nie: Wer nicht fest auf einer der beiden Seiten steht, ist und bleibt suspekt. In einer Pfarrei in einem Vorort Nairobis, die eine Schule für 500 Kinder ruandischer Flüchtlinge betreibt, werden Hilfsmittel einer katholischen NGO an rund 1.000 Hutus verteilt – illegal, denn die wenigsten der Empfänger verfügen über eine Aufentshaltsgenehmigung oder Papiere des UNHCR. Auf den UN-Bericht angesprochen, wird der Chef des zuständigen Sozialkomitees ungehalten: „Alles Fabrikationen und Lügen“, und die Runde, die sich inzwischen um ihn versammelt hat, pflichtet ihm lebhaft bei. Als der Name Sendashonga genannt wird, fällt das Wort „Verräter“. Der Komiteechef sagt: „Den hat in der Hutu- Gemeinde doch überhaupt niemand akzeptiert.“ Peter Böhm