Antworten auf Letzte Fragen

Was ist Fortschritt? (24.12.98)

Die einzig gültige Relevanz kann nur der Fortschritt selbst beantworten. Leider ist er nie da, weil der „Fortschritt“ ständig „fort- schreitet“, also weggeht und nicht anzutreffen ist. Folglich „nicht vorhanden“ ist! Alles klar?Holger Becker, Hamburg

Einer Auffassung nach, die früher als positivistisch abgelehnt wurde, befinden sich die sozialen – d.h. politischen, ökonomischen und moralischen – Institutionen, die uns zur Lösung von Problemen dienen, in einem Evolutionsprozeß, der im Prinzip nach den gleichen Spielregeln funktioniert wie die Evolution biologischer Systeme: Was sich nicht bewährt, setzt sich auf Dauer nicht durch. „Fortschritt“ liegt demnach allenfalls dann vor, wenn gravierende Fehlentwicklungen scheitern. Die verbreitete Vorstellung, wonach „Fortschritt“ eine darüber hinaus gehende positive Entwicklung sei, wäre auf dieser Grundlage nichts weiter als die naive Hoffnung von Schafen, die Wölfe würden sich eines Tages vom Heil des Vegetarismus überzeugen lassen. Was übrigens aus Sicht der Salatköpfe eine ziemlich lausige Idee ist.

Da aber die heutigen VertreterInnen pietistischer Frömmigkeit, von ihren Gegnern fälschlicherweise als „grünalternative Gutmenschen“ bezeichnet, diese weitgehende Idee von Fortschritt wie schon ihre christlichen, liberalen und marxistischen Vorgänger nicht aufheben können, weil sie als Begründung von Hirtenplanstellen und neumodischer Vegetarismuskampagnen für Wölfe herhalten muß, empfehle ich den aufklärerischen Taschenspielertrick, Fortschritt einfach zu begreifen als Vorgang, in dem sich möglichst viele Menschen (1) methodisch um die Annäherung an metaphysische Prinzipien wie „Wahrheit“, „Gerechtigkeit“ und „Schönheit“ bemühen, statt (leider nicht nur: meta-)physisch ihre Umwelt in „Gut“ und „Böse“ zu zersäbeln; (2) insbesondere mit dem Gedanken anfreunden, daß der Staat keine Einrichtung mit historischem oder nationalem Heilsauftrag ist, sondern schlicht ein Versicherungsunternehmen gegen einige individuelle Lebensrisiken sterblicher Menschen (mit schlechten Tarifen, der Hirtenplanstellen und Wolfsedukation wegen).Martin Rath, Langenfeld

Wenn wir uns das Wort genau ansehen, dann stellen wir fest, daß es aus zwei Wörtern besteht, nämlich „fort“ und „Schritt“. Damit unterscheidet es sich vom romanischen „Progreß“, pro heißt vor oder für, greß kommt von gredere = gehen. Was im Romanischen vor sich geht, schreitet also im Germanischen fort, also weg. Folglich entfremdet sich in Deutschland dieser Prozeß von denen, die ihm nachgehen, im Romanischen gehen sie vor. Für einen Eunuchen wiederum hat der Begriff eine völlig andere Bedeutung. Da ist der Schritt fort.Claus Langbein, Kornwestheim

Fortschritt ist immer nur der Austausch eines Ärgernisses gegen ein neues!Olaf Altenburg, Berlin

Einem Herren aus Ratingen fällt eine, nach seinem Empfinden, sehr wichtige Frage ein. Er beschließt, diese Frage einem breiten Auditorium zu stellen, um Antwort zu erhalten. Er versucht, die Frage in gedruckter Form unters Volk zu bringen, und siehe, es gelingt. Am 24.12.1998 findet er sie in einer überregionalen Tageszeitung abgedruckt, auf daß eine Antwort gegeben werde. Am anderen Ende der Republik, in Hamburg nämlich, liest ein anderer Herr diese Frage und beschließt, seine Meinung in dieser Sache kundzutun. Er geht zu seinem tragbaren Computer, öffnet das „Internet Mail“- Programm, tippt in Windeseile eine Antwort ein, befiehlt „Nachricht senden“ und wartet etwa eine Minute. In dieser Zeit öffnet die PCMCIA-Card irgendwelche Anschlüsse, stellt Verbindung zu einem anderen Computer in Berlin her, sendet die Nachricht durch harmlos aussehende Kabel und sorgt dafür, daß die Redaktion des Blattes die Zeilen innerhalb kürzester Zeit auf ihrem Computer lesen kann. Was relativ sinnlos ist, weil am Heiligabend um 17 Uhr dort wahrscheinlich niemand zugegen ist. Aber immerhin: Das ist Fortschritt.Lorenz Ritter, Hamburg

Wie entstehen Augenringe? (19.12.98)

Die Erfahrung lehrt, wenn ein Kurzsichtiger zu tief ins Glas schaut, können Augenringe entstehen. Schaut er aber zu tief in die Flasche, sind eher geschwollene Augäpfel die Folge.Gerhard Drexel, Berlin

Das ist kein großes Geheimnis: Mit einem scharfen Messer schneidet man den Augapfel, wie bei Zwiebeln oder Tintenfischen, in Ringe. Dünsten, braten oder fritieren – das bleibt dann dem eigenen Geschmack überlassen.Oliver Bentz, Münster

Ist genmanipuliertes Fleisch kosher? (19.12.98)

Eindeutig nein, weil das nämlich eine Sauerei ist!Gerd Neurath, Saarbrücken

Prinzipiell ist es eine prima Idee, solche Fragen aufzuwerfen. Denn mit dem Diskutieren der Fragen, wie die 613 Gebote und Verbote der Bibel zu befolgen sind, kann man in der Tat Bände füllen. Nach dem Babylonischen Talmud und dem Jerusalemer Talmud nun also der Beginn des Berliner Talmuds.

Zum aktuellen Problem: Die Bibel nennt mehrere Bedingungen, damit Tiere zum Verzehr „geeignet“ (= koscher) sind. 1) Es dürfen nur bestimmte Arten sein: a) von den Wassertieren nur die mit Schuppen und Flossen (z.B. kein Aal, kein Hummer, keine Muscheln); b) von den Vögeln manche ja, manche nicht (Regel vermutlich: Was der Bauer nicht kennt...); c) von den Säugetieren nur die, die sowohl Wiederkäuer als auch Paarzeher sind (z.B. kein Schwein – nur Paarzeher, kein Pferd – nur Wiederkäuer). 2) Von den erlaubten Säugetieren darf man nicht alle Teile essen: Bestimmte Glibber- und Fett-Teile nicht, und vor allem nicht das Blut, denn im Blut ist der „Nefesch“ (irgend etwas Geistiges). 3) Man darf ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter zubereiten.

Dazu kommt nun aber noch folgendes: Unabhängig vom Essen ist es verboten, Tiere über Arten hinweg zu kreuzen, z.B. Esel mit Pferd, und man darf das Produkt, z.B. das Maultier, nicht als Nutztier verwenden. Koscher zum Verzehr ist das Maultier sowieso nicht, da weder Esel noch Pferd koscher sind. Gekreuzte wiederkäuende Paarzeher kannte die Bibel nicht. Ein solches Tier, z.B. ein Kuhschaf, wäre aber offensichtlich wegen des Verbots der Kreuzung nicht koscher, auch wenn seine Eltern koscher sind. Für die aktuelle Frage, ob genverändertes Fleisch koscher ist, scheint mir daher entscheidend, ob mit der Genveränderung eine Artengrenze überschritten wird. Ob das im Einzelfall zutrifft, wäre zu diskutieren. Man könnte sagen, alles in Ordnung, solange ein Schaf keinen Kalbskopf bekommt, man könnte die Grenze aber auch wesentlich enger ziehen.

Allgemein läßt sich dazu sagen: Natürlich hat es etwas rührend Unzeitgemäßes und blind Starrsinniges, daß moralische Fragen wie die Genmanipulation über die Hintertür Eingang in die Diskussion finden, ob man so was essen darf. Andererseits hat eine moralische Frage wenigstens spürbare Konsequenzen für das eigene Handeln.Rolf Verleger, Lübeck

Wie werden im Film Blutfontänen an Einschußstellen gemacht? (19.12.98)

Ganz einfach: Seit meinem 12. Lebensjahr weiß ich aus Cowboyfilmen, daß zu jedem Einschußloch ein Austrittsloch gehört ( 1 Schuß – 10 Tote). Sind beide sozusagen in einem Abwasch hergestellt, brüllt der Regieassistent: „Schnitt!“ Ein schmächtig gebauter Helfer nähert sich dem sterbenden Helden pietätvoll von hinten, verbirgt sich hinter seinem breiten Rücken, setzt eine großvolumige Einwegspritze, gefüllt mit Kunstblut, aber ohne Kanüle, an das Autrittsloch und drückt kräftig drauf. Das Blut durchströmt den Schußkanal in entgegengesetzter Richtung zum Projektil und tritt eruptiv an der Einschußstelle aus. Der Held läßt seinen Colt fallen und nestelt mit zittrigen Fingern in seiner Westentasche nach dem Löffel, der gleich abzugeben ist. Klappe.Helmut Rieke, Berlin

Ist der Tag kürzer als die Nacht? (12.12.98)

Hoffmann (heute Karlsruhe) hat die Frage am 21.12.1982 in Bremen auf seine eigene philosophische Art beantwortet: „Wenn's am kürzesten Tag der Welt hell wird, is' morgen.“ Zugegeben: Es war schon relativ spät, als er das sagte. Dennoch ist diese Antwort auf eine gar nicht gestellte Frage von erheblicher Relevanz für die Beantwortung der hier gestellten Frage, die wohl nicht von ungefähr kurz vor dem diesjährigen kürzesten Tag der Welt gestellt wird. Der kürzeste Tag der Welt aber wird eingerahmt von den beiden längsten Nächten der Welt, die man (zumindest 1982 ff.) in den einschlägig bekannten Bremer und Wiesbadener Spelunken zubrachte. Am Deckel hat man eindeutig gemerkt, daß die Nächte länger als der Tag waren. Beziehungsweise waren die Tage dermaßen kurz, daß man nicht einmal zum Studieren kam; an Eximina war schon gar nicht zu denken!Albert Ernst, Wiesbaden

Warum heißen Kurzwaren Kurzwaren? (12.12.98)

Weil es sich dabei um Gegenstände der Textilbranche handelt, die entweder so in sich abgeschlossen (wie z.B. Knöpfe, Schnallen und Gürtel) oder abgepackt sind (wie z.B. Gummilitze, Stoßband und Nähnadeln), daß sie ohne Abmessen und Abschneiden kurz über den Tisch gereicht werden können, und „ellenlanges Warten“ beim Kaufen somit entfällt. (Zur Information: Elle war das im Textilhandel früher gebräuchliche Längenmaß. Es ist abgeleitet vom menschlichen Unterarmknochen an der Kleinfingerseite mit dem schlicht die abzumessende Länge bestimmt wurde; darum gibt es auch dafür sehr verschiedene Maßangaben – von 49,5 cm bis 83,3 Zentimeter.)Uta Eckensberger, Saarbrücken

Wie intelligent sind Computer? (5.12.98)

Wie von vielen Lesern schon angedeutet, sind sie eigentlich ganz und gar nicht intelligent, weil sie völlig deterministisch arbeiten. Tun sie dies einmal nicht, so bezeichnet man das in der Regel nicht mit dem Begriff „intelligent“, sondern mit dem Wort „kaputt“.Matthias Krings, Bonn