Kur in der eigenen Stadt

■ Zum ersten Mal wird auf St. Pauli Geld aus Verkauf von Kurtaxenheften verteilt

Die „Kurdirektoren“ sind zufrieden. Kaum hatte sich der Verein „Kurverwaltung St. Pauli“ gegründet und den Stadtteil Anfang Oktober zum Kurort ausgerufen, waren die Kurtaxenhefte auch schon vergriffen. Sie für zehn Mark pro Stück zu erwerben, ist zwar eine freiwillige Entscheidung – aber eine, die mit einer Reihe von Vergünstigungen entlohnt wird: Rund 40 Läden, Kneipen und Veranstaltungsorte auf dem Kiez nennen sich mittlerweile „Kurbetrieb“ und bieten Ermäßigungen beim Eintritt für alle, die ein solches Heft in der Hosentasche haben.

Während in Nordseebädern mit dem durch Kurabgaben verdienten Geld die Strände von Möwenkot gereinigt oder Promenaden von zertretenen Kaugummis befreit werden, wollen die St. PaulianerInnen den Gewinn sozialen und kulturellen Initiativen aus dem Stadtteil zukommen lassen. Jetzt, im Januar, wird erstmals Kurtaxe ausgeschüttet. Anträge können ab sofort eingereicht werden.

Das ursprüngliche Ziel des Vereins, bis Weihnachten 1000 Hefte zu verkaufen, war schon erreicht, kaum daß es formuliert war. Zur Zeit läuft der Verkauf von 3000 nachgedruckten Heften. „In diesem Jahr wollen wir 12.000 Hefte absetzen, vor allem im Umland von Hamburg“, berichtet Kurdirektor Georg Möller.

Ursprünglich waren die Broschüren vor allem für die rund 30 Millionen TouristInnen gedacht, die jährlich nach St. Pauli kommen. Sie sollten durch den Besuch der Kurbetriebe den Stadtteil anders als nur bei einem obligatorischen Reeperbahn-Bummel kennenlernen. Doch dann wurden den HandverkäuferInnen die Kurtaxenhefte vor allem von HamburgerInnen aus der Hand gerissen, die den Wert des Gutscheinheftes fachkundig erkannten.

Sie wissen wohl noch eher als auswärtige Touristen um die Widersprüche des „Kurortes“: Attraktion und Glamour auf der einen Seite, Armut und soziale Probleme auf der anderen. Die zu überbrücken, ist das Ziel des Vereins, der nicht karitativ arbeiten, sondern das Geld an „Multiplikatoren“ aus dem Stadtteil weitergeben will.

Elke Spanner