Wer Integration bestellt, muß Deutsch bezahlen

■ Neues Jahr, neue Ära: Die Volkshochschule ist jetzt ein Eigenbetrieb. Das soll Transparenz schaffen: Wenn die Politik Deutsch für Ausländer oder Politikkurse will, muß sie dafür bezahlen. Pauschale Kürzungen gehen nicht mehr

Wenn am Montag die ersten BesucherInnen die Bremer Volkshochschule (VHS) betreten, dringen sie in eine neue Ära vor. Denn die VHS ist – ebenso wie Stadtbibliothek und Musikschule – seit dem Jahreswechsel keine nachgeordnete Dienststelle der Kulturbehörde mehr, sondern ein städtischer Eigenbetrieb. Für die KundInnen wird sich zunächst nichts ändern. Das Programm mit seinen 2.000 Kursen erscheint am 11. Januar. Wieder werden sich etwa 20.000 TeilnehmerInnen einschreiben.

Die Reform wirkt eher intern. Kaufmännische Buchführung hält Einzug. Der Betrieb wird einen Wirtschaftsplan aufstellen, Investitionen werden nicht mehr aus dem öffentlichen Haushalt bezahlt, sondern durch Abschreibungen finanziert. Die Stadt nimmt Einfluß über einen Betriebsausschuß. Darin sitzen sechs von der Bürgerschaft zu wählende Mitglieder, zwei Beschäftigte und Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD).

Während der VHS-Personalrat grundsätzlich bezweifelt, ob eine auf öffentliche Zuschüsse angewiesene Weiterbildungseinrichtung als Eigenbetrieb geführt werden könne, ist VHS-Leiter Horst Reppien, der voraussichtlich zum ersten VHS-Direktor mit sechsjähriger Amtszeit gewählt werden wird, grundsätzlich für die Reform.

Lange mußte die VHS unter dem oftmals kurzfristig niedergehenden Sparhammer der Haushälter leiden. Nun sei mehr Verbindlichkeit erreichbar. Mit dem am 16. Dezember von der Bürgerschaft verabschiedeten VHS-Gesetz sei erstmals festgeschrieben worden, daß die VHS neben der zumeist einträglichen beruflichen Weiterbildung, etwa im Computerbereich, auch die nicht kostendeckende politische und allgemeine Bildung bieten muß. Niemand darf aus wirtschaftlichen Gründen von Weiterbildung ausgeschlossen werden – Ermäßigungen für sozial Schwache müssen weiterhin gewährt werden.

Künftig könne sich die Politik nicht mehr mit pauschalen Kürzungen aus der Verantwortung stehlen, hofft Reppien. Klar sei: Wenn die Worte des Gesetzes ernstgenommen werden, „wird die VHS nicht billiger für die Stadt“. Wenn die Stadt zum Beispiel Integration von Ausländern wolle, müsse sie mit der VHS Verträge über zu erbringende Sprachkurse abschließen. „Wenn wir kein Geld dafür kriegen, können wir diese Leistungen auch nicht mehr anbieten“, sagt Reppien. Die anstehenden Verhandlungen über Details der Leistungskontrakte und die Höhe der jeweiligen städtischen Zuschüsse dürften schwierig werden. Finanziellen Spielraum habe die VHS nicht, so Reppien. Mit ihren 40 festen Stellen und 840 freiberuflichen Honorarkräften verfügt die VHS im Jahr 1999, dem letzten mit alter Haushaltsführung, über 11 Millionen Mark. Davon erwirtschaftet sie 40 Prozent aus eigenen Einnahmen. Der Wirtschaftsplan wird höher liegen, weil darin Kosten enthalten sein werden, die bisher in anderen öffentlichen Etats versteckt waren, etwa die Gehälter abgeordneteter Lehrer, die im Bildungshaushalt anfallen.

Als Eigenbetrieb sei „die Versuchung groß, Wirtschaftlichkeit mit Gewinnerzielung zu verwechseln“, sagt der VHS-Leiter. Wer aber nur auf einen möglichst hohen Refinanzierungsgrad schiele, könne die VHS „gleich zumachen“.

Größtes Hindernis für die VHS, um ihre Wirtschaftlichkeit zu verbessern, ist das Fehlen eines zentralen Gebäudes. Das haben auch die Gutachter von McKinsey eindringlich klargestellt. 180 Räume im Stadtgebiet „bespielt“ die VHS, zweieinhalb Mitarbeiter sind allein damit beschäftigt, Räume zu akquirieren und sich um Mietverträge und Ausstattung zu kümmern.

Weil das „nach Veränderung schreit“, will Reppien auch Investitionen für eine VHS-Zentrale in den neuen Wirtschaftsplan reinschreiben. Er hält es für möglich, bei Mehrkosten von einer viertel Million Mark jährlich kurzfristig Räume für eine Zentrale anzumieten. Wie der Eigenbterieb VHS aber agieren kann, steht noch nicht fest: Die Höhe des Eigenkapitals, das beliehen werden könnte, ist umstritten. Die VHS-Villa in der Schwachhauser Heerstraße will Reppien unbedingt im Besitz des Betriebs haben. Das Finanzressort streubt sich noch.

Für die 840 freiberuflichen KursleiterInnen wird es beim kargen Honorar von 30 Mark pro Unterrichtsstunde bleiben. Um die Honorare um fünf Mark erhöhen zu können, forderte Reppien für den letzten behördlich bestimmten Haushalt 400.000 Mark zusätzlich, ohne Erfolg. Im Eigenbetrieb ließen sich Honorarerhöhungen theoretisch durch Sparen in anderen Bereichen finanzieren. „Der Druck wird zunehmen“, fürchtet der VHS-Leiter. Joachim Fahrun