Zeit der astrologischen Fehlschläge

■ Zum Jahreswechsel haben Horoskope Konjunktur. Die Treffsicherheit tendiert jedoch gegen null

Der Hinweis könnte eindeutiger nicht sein: Stiergeborene würde 1999 eine einschneidende Wende erwarten, orakelt eine Boulevardzeitung in ihrem Jahres- Horoskop und wird dann noch konkreter: „Dies könnte auf dem Gefühlssektor eine große Veränderung bedeuten.“ Ganz anders der glückliche Widder: „Sie sind schon jetzt der Sieger des Jahres“, weiß das Blatt in seinen astrologischen Querschlägen.

Neues Jahr, neues Glück. Zeit, den Standard-Horoskopen noch eine Extra-Ausgabe hinzuzufügen. Alle Jahre wieder zum Jahreswechsel schicken sich einschlägige Zeitschriften an, ausgiebige Prognosen über die Chancen ihrer Leserschaft auf ein erfülltes Sexleben zu treffen – in der Hoffnung auf eine höhere Auflage. Zu Recht. 64 Prozent der Deutschen lesen in Zeitschriften ihre Horoskope, stellte das Institut für Demoskopie Allensbach fest. Immerhin: 71 Prozent nehmen die Zukunftsprognosen weder ernst noch richten sie sich danach.

Der Astrologe Peter Niehenke vom Deutschen Astrologenverband gerät beim Gedanken an diese „Vulgär-Astrologie“ in Rage: „Das ist purer Blödsinn und schlechte Unterhaltung.“ Die wahre Astrologie sei hingegen ein hartes Stück Arbeit, erklärt auch der Berliner Astrologe Christian Birkner. Für ein richtiges Horoskop brauche er eine halbe Woche Vorbereitungszeit. Mindestvoraussetzungen: Ort, Datum und genaue Uhrzeit der Geburt. Denn ein individuell erstelltes Horoskop liefere eine Art Persönlichkeitsbild und somit Lebenshilfe.

Rund 200 hauptberufliche Astrologen gibt es nach Angaben des Deutschen Astrologenverbandes in Deutschland. Von sogenannten Wohnzimmerpraxen gibt es allerdings mehrere tausend. 1998 geriet die Berufsgattung pünktlich zum Jahreswechsel in Verruf. So kam wieder vieles anders, als manche es sich dachten. Der Heidelberger Soziologe Edgar Wunder untersuchte 69 Prognosen von 21 Astrologen und kam zu einem erschütternden Ergebnis: Nur das Versprechen, daß Schumi nicht Formel-1-Weltmeister werden würde, traf ins Schwarze. Dagegen wurde die Leistungsfähigkeit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft heillos über- und der Sextrieb von Bill Clinton gänzlich unterschätzt. Kohl hingegen gönnten die Astrologen noch eine weitere Legislaturperiode. Niehenke wundert dieser Mangel an Treffsicherheit nicht: „Es ist nicht möglich, mit Hilfe eines Horoskops konkrete Ereignisprognosen zu stellen.“ Schließlich zeichne ein Horoskop nur die „seelische Großwetterlage“, so Niehenke.

Doch allen astrologischen Fehlgriffen zum Trotz erfreuen sich Zukunftsprognosen nach wie vor größter Beliebtheit. Für Andreas Finke vom Evangelischen Zentralinstitut für Weltanschauungen in Berlin erklärt sich dieses Phänomen mit der allgemeinen Unsicherheit über die Zukunft: „Das ist das beruhigende Gefühl in einer unruhigen Zeit.“

Sicherheit in den Sternen suchen Menschen quer durch die Bevölkerung. Doch beim weiblichen Geschlecht ist der Glaube an die Sterne besonders ausgeprägt: Während sich nur 50 Prozent der Männer dafür interessieren, schlagen immerhin 77 Prozent der Frauen die Horoskopseiten in den Magazinen auf. Beim Gang zum Astrologen fällt das Verhältnis noch krasser aus. Birkners Klientel beläuft sich zu 80 Prozent auf Frauen. „Männer sind dafür einfach zu stolz.“ Unterschiede gebe es auch zwischen Nord- und Süddeutschland, stellt Marianne Brunner von der Astrologischen Gesellschaft Berlin fest. „Im Süden Deutschlands sind die Leute gegenüber der Astrologie wesentlich aufgeschlossener als die kühlen Berliner.“ Corinna Budras