Im Kosovo wird Silvester diesmal zu Hause gefeiert

■ Die Neujahrsansprachen zeigen eine breite Palette von Absichten und Forderungen

Priština (taz) – Zum Jahreswechsel ging in Priština, der Hauptstadt des Kosovo, um Mitternacht ein Feuerwerk der eigenen Art los. Eine Viertelstunde lang hämmerten Salven aus Hunderten automatischen Waffen durch die Dunkelheit. Doch es war nicht eine fünfte Kolonne der albanischen UCK-Guerilla, die bewaffnete Präsenz markierte, sondern Angehörige der serbischen Minderheit. „Ein gutes neues Jahr!“ schrien sich die Albaner aus ihren Häusern zu. Die Straßen waren menschenleer. Man feierte, anders als sonst, diesmal zu Hause.

Scheinbar versöhnliche Töne kamen aus Belgrad. Der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević, der vor zehn Jahren Hunderttausende von Serben gegen die Albaner mobilisiert hatte, bezeichnete in seiner Neujahrsansprache den Kosovo als multiethnische Provinz, in der alle Völker gleiche Rechte haben müßten. In diesem Sinn hatte er kürzlich eine wechselnde Präsidentschaft im Kosovo in die Debatte geworfen. Er sprach in einem Interview mit Newsweek und Washington Post von „rund 800.000 Albanern, 240.000 Serben und Montenegrinern, 150.000 nichtalbanischen Muslimen, mehr als 150.000 Roma und Ägypter sowie von einer türkischen Minderheit von 40.000 bis 50.000 Personen“, die im Kosovo lebten. Bislang waren Politiker und Demographen davon ausgegangen, daß im Kosovo etwa neun Albaner auf einen Serben kommen.

Schärfere Worte fand der jugoslawische Außenminister Zivadin Jovanović, der kürzlich die internationale Gemeinschaft aufgefordert hatte, die UCK auf die Liste terroristischer Vereinigungen zu setzen. Er kündigte an, man werde mit allen Mitteln gegen Separatismus und Terrorismus vorgehen. Übertroffen wurde er vom extremen Nationalisten Vojslav Šešelj, Vizeministerpräsident Serbiens, der meinte, wie einst Hitler, so bedrohe heute die Nato ganz Europa.

Ibrahim Rugova, gewählter, aber international nicht anerkannter Präsident der Kosovo-Albaner, meinte in seiner Neujahrsansprache hingegen, nur eine Nato-Präsenz im Kosovo selbst könne die Voraussetzungen für einen stabilen Frieden schaffen. Sein Chefunterhändler Agani sprach sich für die Einbeziehung der UCK in künftigen Verhandlungen aus, was die serbische Seite strikt ablehnt. Und Idriz Ajeti, der Präsident des Parlaments der Kosovo-Albaner, forderte eine Demilitarisierung des Kosovo und die vorübergehende Errichtung eines internationalen Protektorats. Thomas Schmid