Neues Jahr, neues Geld, neuer Streit

■ Kaum tritt Wim Duisenberg als Euro-Währungshüter an, da provoziert er neuen Streit mit Frankreichs Regierung: Die möchte den Holländer wie vereinbart in vier Jahren vorzeitig ablösen. Doch Duisenberg widersetzt sich

Berlin (taz) – Nicht alle gestern in Brüssel anwesenden Finanz- und Wirtschaftsminister konnten sich über die Geburtsstunde des Euro so richtig freuen. Während Italiens Finanzminister Carlo Azeglio Ciampi am Donnerstag stolz war, sich „einen europäischen Bürger italienischer Herkunft nennen zu können“, während selbst Japan und die USA zum „historischen Ereignis“ gratulierten, war Frankreichs Finanzminister Dominique Strauss- Kahn erbost über Euro-Währungshüter Wim Duisenberg. Er sei nun zwar auch „etwas mehr Europäer“ geworden, bemerkte Strauss-Kahn bissig, aber „nicht weniger Franzose“. Will heißen: Nur ein Franzose ist ein guter europäischer Zentralbankchef.

Und da fuchst es den Franzosen, daß der Präsident der neuen Europäischen Zentralbank (EZB), der Holländer Wim Duisenberg, ausgerechnet am Tag vor Silvester der Tageszeitung Le Monde erklärte, er werde keineswegs schon nach vier Jahren von seinem Amt zurücktreten. Das jedoch erwartet Frankreichs Regierung, die ihren Zentralbanker Jean- Claude Trichet auf dem Stuhl sehen will.

Grund genug für Strauss-Kahn, vor die Presse zu treten und auf dem vorzeitigen Rücktritt zu bestehen. Denn das war das Zugeständnis, das Staatspräsident Jacques Chirac Anfang Mai den übrigen EU-Regierungschefs in elfstündigen Verhandlungen abgetrotzt hatte. Eigentlich wollte Chirac Trichet als ersten Amtschef, die EU-Partner jedoch bestanden auf Duisenberg. Unter Helmut Kohls Vermittlung erhielt Chirac am Ende das Zugeständnis der Regierungschefs, daß Wim Duisenberg nach vier Jahren zugunsten Trichets zurücktreten werde; im Prinzip wird der EZB-Chef für acht Jahre gewählt.

Wäre dies stillschweigend vereinbart worden, wäre es für Duisenberg vielleicht noch erträglich gewesen. Doch Chirac verlangte eine öffentliche Erklärung. So erklärte Duisenberg dann notgedrungen, er trete formell für die vollen acht Jahre an, wolle „aus Altersgründen“ aber nicht die ganze Zeit im Amt bleiben. Damit ernteten Duisenberg und die EU das Hohngelächter der internationalen Presse. Duisenberg war als EZB-Chef geschwächt, bevor er überhaupt angefangen hatte.

Die achtjährige Amtszeit, mit der der EZB-Präsident die meisten Regierungschefs überdauert, soll die Unabhängigkeit vor der Politik garantieren. Kein Wunder, daß Duisenberg seitdem Stück für Stück zurückrudert. Bereits eine Woche nach dem EU-Gipfel betonte er vor dem Europaparlament, nie versprochen zu haben, daß er nach vier Jahren zurücktrete. Nun verneinte er gegenüber Le Monde einen Rücktritt nach vier Jahren. Und schloß vorgestern gegenüber der italienischen La Repubblica nicht einmal mehr aus, volle acht Jahre im Amt zu bleiben.

Die Äußerungen des EZB-Chefs seien „nicht konform“ mit Duisenbergs Versprechen gegenüber Chirac, sagte dagegen Strauss-Kahn trotzig. „Ich habe keinen Grund zur Annahme, daß die Dinge anders ablaufen werden.“ Der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm widersprach postwendend, Duisenberg habe nie ein konkretes Datum genannt.

So war die Freude über den Euro-Start am Donnerstag unter den Ministern getrübt, als sie den Wechselkurs des Euro festlegten. Er entspricht nun 1,95583 Mark, also knapp zwei Mark. Zum Dollar ergibt sich daraus ein Startkurs von 1,17 Dollar pro Euro. Und da konnte es Strauss-Kahn auch nicht besänftigen, daß anschließend mit französischem Champagner angestoßen wurde. Matthias Urbach