36 Stunden Dauerpauken aus Angst ums Abitur

■ Oberstüfler des SZ Bördestraße protestieren gegen Personalnot und gekürzte Kurse

Mit gemischten Gefühlen kommen die SchülerInnen des Schulzentrums Bördestraße aus den Weihnachtsferien. Denn besonders die angehenden AbiturientInnen würden gerne lernen, immerhin steht ihre Reifeprüfung an. Aber der Mangel an Lehrkräften beschert ihnen in wichtigen Kursen nur ein Rumpfprogramm. Die SchülerInnen bangen, ob sie für die Prüfungen gut genug gewappnet sein werden.

Die GesamtschülerInnenvertretung GSV sieht in den Vorgängen an der Bördestraße, wo die Personalnot durch Tod und Krankheit ausgelöst worden ist, nur Vorboten auf das, was auch anderen Bremer Schulen in Zukunft blühen könnte, wenn nicht deutlich mehr junge LehrerInnen angestellt werden als bislang geplant.

Zum 1. Februar darf die Bördestraße zwei neue Lehrer einstellen. Die langen Proteste von Schülern, Lehrern und Eltern sind erhört worden, nachdem schon seit Beginn des Schuljahres die Unterrichtsversorgung der Oberstufe kaum gewährleistet werden kann.

„In rund zwanzig Grundkursen fällt jede Woche eine Stunde weg. Und auch die Leistungskurse sind betroffen“, so Marc Messing aus der 12. Klasse. Jetzt sollen kurzfristig zwei bereits an der Schule arbeitende Referendare eingestellt werden, um wenigstens den Abi-turjahrgang „durchzubringen“.

Der kommissarische Schulleiter Heinrich Schmidt-Uenzen versichert zwar: „Das Abitur ist nicht gefährdet“. Die Schule trickst allerdings ein bißchen: Die wöchentlich nur noch zweistündigen Grundkurse werden einfach wie vollständige Fächer gewertet. Glück für die Beleger der Rumpf-Kurse: Noch zählt für das Abitur eine Mindestanzahl an Kursen. Das dürfte sich bald ändern: Die Kultusministerkonferenz hat im vergangenen Sommer beschlossen, schon bald eine Mindestanzahl von Stunden für das Bestehen der Reifeprüfung zu fordern. Um die verklangten 116 Kursstunden belegen zu können, müßten bei einem Unterrichtsausfall wie an der Bördestraße Schüler Kurse im Zweifelsfall wiederholen.

Doch vorerst will sich der etatmäßige Berufsschulleiter Heinrich Schmidt-Uenzen, der seit dem Tod seines Schulzentrumsleiters Coldewey auch das Gymnasium führt, nicht beklagen. „Ich freue mich über die neuen Einstellungen, damit das Loch gestopft werden kann.“ Schon zu Beginn des Schuljahres sei klar gewesen, daß das Fächerangebot zwar aufrecht erhalten werden mußte, aber daß es keineswegs auch mit genügend Lehrkräften abgedeckt war.

Die beiden bald fest angestellten Referendare arbeiteten jetzt schon länger als die üblichen acht Stunden – gegen Extrabezahlung, um wenigstens den schlimmsten Notstand zu decken, so die SchülerInnenvertretung. Die Referendare übernehmen sogar Leistungskurse, die dann trotzdem noch um eine Wochenstunde gekürzt werden, berichtet Schüler Marc Messing über seinen Wirtschafts-Leistungskurs.

„Es gibt fast keinen Schüler, der nicht von den Unterrichtsausfällen betroffen ist“, kritisiert Schülerin Katrin Vogel. Doch trotz der geringen Stundenzahlen werde der Stoff durchgezogen, „ohne Rücksicht auf schwache Schüler“. Schließlich müssen die Lehrpläne eingehalten werden, und so ist die Folge der Frontalunterricht, „und eigentlich soll der Stoff ja mit den Schülern erarbeitet werden“, so der 17jährige Marc Messing. „Die Bildungslücken werden uns dann erst beim Studienbeginn deutlich“, fürchtet Katrin Vogel.

Am 7. und 8. Januar veranstalten die Schüler deshalb einen Unterrichtsmarathon. 36 Stunden lang wollen sie auf ihren Bildungsrückstand aufmerksam machen und gegen die unzureichende Unterrichtsversorgung protestieren. „Die zwei neuen Lehrerstellen decken gerade einmal die Minimalanforderungen“, so Katrin Vogel. Sie wisse selbst, daß man schon für diese zwei Stellen dankbar sein muß, ausreichend seien sie trotzdem nicht.

Zahlreiche Lehrer unterstützen die Aktion der Schüler und unterrichten die ganze Nacht hindurch. Marc Messing lobte das starke Engagement der Fachkräfte. Zu den Strapazen des Unterrichtsmarathons erklärt Katrin Vogel: „Wir wollen nicht, daß unser Protest falsch ausgelegt werden kann“. Sie seien bereit zu lernen. Sie wollen als Schüler nicht erleben, daß ihr Abitur später wertlos ist, weil Unterrichtsstunden langfristig gekürzt wurden. Stefan Herrmann