„Befreiungsschlag“ für die bayerische Maxhütte

■ Betriebsrat begrüßt die Eröffnung des Konkursverfahrens. Der Weg für den Einstieg des niedersächsischen Stahlunternehmers Jürgen Großmann ist damit frei. Betrieb läuft heute weiter

Nürnberg (taz) – Es ist selten, daß sich jemand über einen Konkurs freut. Noch seltener ist es, wenn ein Betriebsratsvorsitzender heilfroh über einen Unternehmenskonkurs ist. Für Albert Vetter, den Betriebsratsvorsitzenden des Oberpfälzer Stahlwerks Neue Maxhütte GmbH (NMH), kam das an Sylvester vom Amtsgericht Amberg eröffnete Konkursverfahren einem „Befreiungsschlag“ gleich. „An Sylvester treiben die Bayern die bösen Geister aus“, verkündet Vetter optimistisch gestimmt. Trotz Konkurs laufen die Bänder mit der heutigen Frühschicht wieder an, denn verschiedene Banken haben neue Darlehen gewährt.

Für den Betriebsratsvorsitzenden des Stahl- und Röhrenwerks mit noch rund 1.500 Beschäftigten hat der „böse Geist“ der Maxhütte auch einen Namen: Max Aicher, Besitzer der Lechstahl-Werke und Mehrheitseigner der NMH. „Er hat uns wie eine Zitrone ausgepreßt“, klagt Vetter und wirft Aicher „verheerende unternehmerische Fehlentscheidungen am laufenden Band“ vor. Sein Ziel sei von Anfang an nicht auf Fortführung und Zukunftsinvestition angelegt gewesen, sondern auf „abkassieren und stillegen“.

In der Tat hat Aicher die Maxhütte ständig in neue Konflikte gestürzt. Von Handgreiflichkeiten zwischen Betriebsräten und Unternehmensleitung bis hin zu Umweltskandalen wie dem Einsatz von mit Giften versetztem Billigschrott in den Hochöfen war die Maxhütte stets für negative Schlagzeilen gut. Auch wirtschaftlich ging es kontinuierlich bergab. In internen Protokollen vom 28. Oktober vergangenen Jahres wurde bereits die Zahlungsunfähigkeit festgehalten. Der Gang zum Konkursrichter erfolgte dann am 6. November, als Konkursverwalter wurde der Heidelberger Jobst Wellensiek bestellt.

Der gilt als Retter der Maxhütte, seit er beim ersten Konkurs der Hütte im Frühjahr 1987 das Stahlwerk, bei dem einstmals 12.000 Stahlkocher beschäftigt waren, vor dem vollständigen Aus bewahrt hatte. Damals beteiligte sich der Freistaat mit 45 Prozent an der Neuen Maxhütte GmbH, Max Aicher mit 44 Prozent und die Mannesmann AG mit 11 Prozent. Mit 1.800 Arbeitsplätzen produzierte die NMH weiter. Im März 1994 übertrug Bayern Aicher dann die unternehmerische Führung – sehr zum Leidwesen von Gewerkschaft und Betriebsrat. Die wehrten sich gegen die Weiterführung der Maxhütte mit herkömmlicher Hochofentechnologie und favorisierten statt dessen die Umstellung auf ein ökologisch ausgerichtetes Ministahlwerk mit kombinierter Automobil-Recyclinganlage.

Mit dem nun eröffneten Konkurs ruhen die Rechte von Aicher, Konkursverwalter Wellensiek kann an Zukunftskonzepten ohne Aicher basteln. Sogar Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu hat inzwischen eingesehen, daß Aicher nicht länger tragbar ist: „Die Fronten mit der Belegschaft sind so verhärtet, daß hier nichts mehr geht.“ Damit steigen die Chancen, daß der niedersächsische Stahlunternehmer Jürgen Großmann zum Zug kommt. Seinen Einstieg in die NMH favorisieren Betriebsrat und Gewerkschaft schon seit langem. Sie verweisen darauf, daß der einstige Vorständler von Klöckner die Georgsmarienhütte (Osnabrück) aus den roten Zahlen geholt hat. Dann kaufte Großmann nach und nach mehrere marode Unternehmen auf. Inzwischen sind in seiner Holding 20 mittelständische Gesellschaften, darunter auch einige Stahlwerke in den neuen Ländern, zusammengefaßt. Insgesamt erwirtschaftet der Verbund mit rund 6.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Mark.

Spezialisten von Großmann sondierten in den letzten Tagen vor Ort in Sulzbach-Rosenberg eine Übernahme der NMH. „Großmann ist kein Gesundbeter der Maxhütte“, warnte Holding- Sprecherin Iris-Kathrin Silckens zwar vor überzogenen Erwartungen. Doch Maxhütte und Georgsmarienhütte wären zusammen sowohl als Komplettanbieter gegenüber der Deutschen Bahn, als auch als Lieferant für die Automobil- und Maschinenbauindustrie schlicht „unübersehbar“, meint Betriebsrat Vetter.

Vetter setzt seine Hoffnungen darauf, daß nun mit der Eröffnung des Konkurses die aktuellen Forderungen der Gläubiger der Maxhütte, die Wellensiek auf insgesamt 160 Millionen Mark bezifferte, die Gespräche mit Großmann nicht mehr belasten. Auch die ultimative Rückforderung der EU-Kommission von insgesamt 74 Millionen illegaler Subventionen an die Maxhütte wäre bei einem Konkurs so gut wie vom Tisch. Bernd Siegler