Neue Giftflut in Südspanien

Beim Bruch eines Staubeckens für Düngerfabriken werden 50 Millionen Liter ätzender Abwässer freigesetzt. Umweltschützer befürchten radioaktive Belastung  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Wieder eine Umweltkatastrophe und wieder Andalusien: Nach dem Bruch eines Staubeckens mit Minenabwässern und Schlamm im Frühjahr und einer radioaktiven Wolke aus einem Stahlwerk im Sommer kann Südspanien erneut mit einem ökologischen Desaster aufwarten. Am Freitag nachmittag zerbarst der Damm eines Stausees für Industrieabwässer nahe der Stadt Huelva. Rund 50 Millionen Liter einer ätzenden phosphat- und fluorhaltigen Flüssigkeit aus den Düngemittelfabriken Fertiberia und Foret strömten in ein den Unterlauf des Rio Tinto.

Schon kurz nach dem Unglück beteuerte der Sprecher des Verbands der örtlichen Chemieindustrie, Juan Manuel Diaz del Valle, die Auswirkungen seien „fast zu vernachlässigen“. Auf keinen Fall liege die Verantwortung bei den beiden Firmen, zog Fertiberia-Direktor Emilio Arechaga nach. „Eine Verknüpfung unglücklicher Umstände wie nicht vorhersehbare orkanartige Stürme und starke Regenfälle“ habe den Dammbruch verschuldet. Außerdem könne der Fluß die Säurebrühe verkraften.

Die örtlichen Umweltgruppen sehen das anders. Auch wenn der Unfall nicht ganz so schwer sei wie derjenige, der im April den Nationalen Vogelschutzpark Donana gefährdet hatte, sei auch hier mit schweren Beschädigungen zu rechnen, erklärte der Sprecher der Ökologischen Aktionsgruppen aus Huelva, Juan Romero. Gefährdet seien vor allem die Muscheln und Krustentiere, von denen die Fischer der Region leben.

Die Umweltschützer hatten seit Jahren gegen die unzähligen Stauseen vor den Toren der Stadt protestiert. Die Becken, die seit 30 Jahren die Abwässer der beiden Betriebe auffangen, nehmen eine Gesamtoberfläche von 1.200 Hektar ein und sind damit größer als die Stadt Huelva selbst, die knapp 200.000 Einwohner hat. Fertiberia hat die Produktion nach dem Unglück erst einmal eingestellt. Die Firmenleitung weiß nicht, wo sie die täglich anfallenden weiteren 14.000 Kubikmeter Abwässer unterbringen soll.

Die größte Belastung sehen die Umweltschützer nicht unbedingt im Säuregehalt der Abwässer: Einer Studie der Universität Huelva zufolge sollen sie radioaktiv sein, die Strahlungswerte 25mal höher liegen als gesetzlich erlaubt. Die Firmenleitungen und der spanische Nukleare Sicherheitsrat dementieren das. Nach ihren Messungen werde der gesetzliche Grenzwert um 54 Prozent unterschritten.

Die andalusische Regionalregierung will in den nächsten Tagen „eine penible Studie“ über Ursachen und Auswirkungen des Dammbruchs erstellen.