Schäuble gibt den Hardlinern nach

■ Entgegen seiner eigenen Überzeugung plant der CDU-Chef gemeinsam mit der CSU eine Volksbefragung gegen die rot-grüne Regierung und ihre Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Berlin (taz) – Im kleinen Kreise pflegt Wolfgang Schäuble gerne über die Verantwortung der politischen Elite zu philosophieren. Der CDU-Parteichef geißelt dann den Glauben naiver Zuhörer, das Volk wisse am besten, welchen Weg die Republik nehmen solle. Keine der großen Entscheidungen in der (west-)deutschen Nachkriegsgeschichte, gleich ob die Wiederbewaffnung, der Nato-Doppelbeschluß oder die Einführung des Euro, hätte anfangs die Zustimmung der Mehrheit der Wähler gefunden. Schäubles Fazit: Es bedürfe einer aufgeklärten Klasse von Volksvertretern, die unbeeindruckt von öffentlichen Protesten das Richtige für ihr Land tun.

Entsprechend dürfte ihn ein Auftritt, zu dem er sich heute in Bonn gezwungen sieht, in Konflikt mit seinen Prinzipien stürzen: Schäuble wird im Verbund mit dem künftigen CSU-Chef Edmund Stoiber das Volk gegen die rot-grüne Bundesregierung mobilisieren. Mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion wollen die Unionsparteien die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts verhindern. Glaubt man Parteiinsidern, beugt Schäuble sich mit seiner Zustimmung zu der Kampagne dem wachsenden Druck nach einem schärferen Profil der Union. Die Unterschriftenaktion sei „eine verzweifelte Abwehrschlacht Schäubles gegen Stoiber und Co“, meint ein Bonner CDU-Abgeordneter. Nicht nur in Bayern, auch in den CDU-regierten Ländern Hessen und Baden-Württemberg bangen die Parteispitzen um ihren Stimmenanteil. „Die haben Angst abzusaufen“, schildert ein CDUler die Stimmung in Hessen, wo am 7. Februar der Landtag gewählt wird.

Der Welt am Sonntag sagte Schäuble, er wolle mit der Unterschriftensammlung die eigenen Mitglieder mobilisieren und demonstrieren, daß die Union „mitten im Leben“ stünde. Damit schlägt er sich im CDU-internen Streit um die Ausländerpolitik fürs erste auf die Seite der Hardliner, die die Zukunft der Ausländerpolitik zum zentralen Thema bei den 17 Wahlkämpfen in diesem Jahr machen wollen. Die Gegner dieses Kurses hatten wiederholt gemahnt, statt auf dem sensiblen Feld des Umgangs mit ethnischen Minderheiten solle die Partei die Auseinandersetzung mit Rot- Grün lieber anderswo suchen. Schäuble selbst hatte in einem Weihnachtsbrief an die Parteifunktionäre davor gewarnt, auf einfache Wahrheiten zu setzen.

Mit Schäubles Unterstützung für die Unterschriftenaktion droht das Thema jetzt zum „Kampfthema“ zu werden, so ein Kritiker aus der Fraktion. Um trotzdem nicht als Befürworter von „Ausländer raus“-Parolen dazustehen, will Schäuble die Aktion mit einem „Bündnis für Integration“ koppeln. Der Kritiker sieht dennoch „die Gefahr, daß das Ganze aus der Kontrolle gerät und sich die Rechtsextremen dranhängen.“ Patrik Schwarz