Das Alte im Neuen und das Neue im Alten

■ Penderecki-Festival vom 6.-8.1.: Auf Einladung der Deutschen Kammerphilharmonie ist der große Neuerer live in Bremen zu erleben, der den Glauben ans Erneuern längst ver-loren hat und sich zur wachsenden Gemeinde postmodern-heiterer Stilplünderer zugesellte

„In der Musik verändern sich lediglich die Mittel; das Klangmaterial und die Wege, es zu gestalten, bleiben die gleichen. Das, was man unter guter Musik versteht, ist heute weitgehend das gleiche wie früher.“ Der 1933 geborene polnische Komponist Krzysztof Penderecki hat diesen Satz gesagt, und vieldeutig, wenn nicht gar sybillinisch, mutet er an. Denn sein „Anaklasis“ für Streicher und Schlagzeuggruppen erregte 1960 bei den Donau-eschinger Musiktagen höchstes Aufsehen: Alles an dieser Partitur wirkte neu und unerhört. Später bewegte Penderecki sich weg von allem Experimentellen: Schon seit den siebziger Jahren strebte er einen „Pluralismus an, der das Wesentliche aller Perioden vereinigt“. Angreifbar machte er sich mit seinem Rückgriff auf die Kompositions- und Klangideale des 19. Jahrhunderts, die er trotz Verwendung von Vierteltönen variantenreich praktizierte. Über sein 1979 geschriebenes „Adagietto“ schrieb er: „Ein leises, romantisches Stück, das viele verärgert hat.“

Es ist der Deutschen Kammerphilharmonie hoch anzurechnen, daß sie diesen umstrittenen Komponisten ins Zentrum eines dreitägigen Festivals rückt und damit dem Publikum die Möglichkeit gibt, sich über Komposition hier und heute eine eigene Meinung zu verschaffen. Denn das Programm konfrontiert alte und neue Werke und bietet ein qualifiziert besetztes Gesprächspodium. Vor allem aber kann man Krzysztof Penderecki höchstpersönlich befragen und als Dirigenten hautnah erleben.

Wolfram Schwinger, der ein sehr hymnisches, aber auch fundiertes Buch über Penderecki geschrieben hat, wird sich im Porträtkonzert unterhalten mit der Komponistin Violeta Dinescu, dem Komponisten Peter Michael Hamel und dem Musikwissenschaftler Ludolf Baucke. Und auch die Konzerte verkriechen sich nicht monologisch in die Figur Penderecki, sondern suchen die Gegenüberstellung. So werden im Solorezital des Cellisten Boris Pergamentschikow zwei Solosuiten von Johann Sebastian Bach und die „Vier Stücke“ von György Kurtág zu hören sein. Kurtág ist ein Komponist, an dem man ebenfalls gut studieren kann, wie vielfältig der Rückgriff auf vergangenes Material gestaltet sein kann. Das Orchesterkonzert, ebenfalls mit Pergamentschikow, stellt Werke von Dimitri Schostakowitsch neben Pendereckis Konzert für Viola und Orchester (1983) – in einer Fassung für Cello – und das „Agnus Dei“ aus dem „Polnischen Requiem“. Aufschlußreich werden auch die Kammermusikwerke sein, die sich im Porträtkonzert von 1968 (2. Streichquartett) bis 1993 spannen. usl

6.1. Glocke, Kleiner Saal: Cello-Solorezital; 8.1. Sendesaal Radio Bremen: Gesprächskonzert (u.a. mit Hamel, Penderecki, Dinescu); 9.1. Große Glocke: Deutsche Kammerphilharmonie, Leitung: Penderecki; Glocke-Ticketcenter Tel.: 33 66 99