Malerei im Schnellfeuer der Nachrichten

■ Knut Bayer stellt in der Galerie Barbara Weiss abstrakte Bilder neben Fernsehstills aus

Es sind nur Sekunden. Israelische Polizeiwagen rasen einen Hügel im Gaza-Streifen hinunter, Flüchtlingsboote wühlen das Wasser vor der italienischen Küste auf, Hubschrauber suchen ein Waldgelände mit Scheinwerfern ab. Andere Bilder leben von Details: Das weiße Hemd Helmut Kohls leuchtet zwischen den Sträuchern einer Böschung, an der sich der Ex- Kanzler mühsam hochschleppt. Oder die Tauben, die in der Nähe einiger Schädel im Boden picken – es sind Aufnahmen frisch geöffneter Massengräber, die während der Diktatur Pinochets in Chile angelegt wurden. Was fürs Fernsehen als News vom Tage eilig zusammengeschnitten wird, bildet in der Arbeit von Knut Bayer die Grundlage der Auseinandersetzung mit Malerei: Landschaft – mal als Idylle, mal als Kriegsschauplatz. Denn alles Weltgeschehen kommt nicht ohne die Natur im Hintergrund aus.

Bayer sucht seine Motive zwar auf dem Umweg über die Medien, aber er ist gegenüber der Darstellung skeptisch. Deshalb hat er die abfotografierten Stills aus den Nachrichtensendungen schwarzweiß auf durchsichtigen Folien abgezogen und zu Serien zusammengefaßt, die in keinem inhaltlichen Bezug zueinander stehen. Die Dichte der Information löst sich in lauter Schnappschüsse auf, deren gemeinsamer Nenner sich aus der Flüchtigkeit der Bilder ergibt.

Die Flutkatastrophe am chinesischen Jangtse-Fluß oder der Vormarsch von Rebellen im Kongo sind täglich wiederkehrende Impressionen, die für Bayer „nur noch die Geste von einem Fakt“ zeigen. Damit erzeugt das Fernsehen zwar massenhaft visuelle Oberflächen, doch die Echtheit der Dokumente besitzt eine Spannung, die der Malerei längst abhanden gekommen ist.

Mit diesem Problem steht der Künstler indes nicht allein da – jede Fernsehkritik beklagt als Dilemma, daß der Inhalt in der Form zu verschwinden droht. Bayer konterkariert diesen Zusammenhang, indem er den Nachrichtenbildern abstrakte Gemälde zur Seite stellt. Dafür arbeitet der gelernte Druckgrafiker ziemlich aufwendig mit Hinterglasmalerei, bei der sich der ideale Verlauf der Farben erst in der Tiefenschichtung ergibt. Zugleich ist diese Technik ein Versuch, der Leinwand auszuweichen, weil Bayer sich nicht „zu dicht an der seriösen Malerei orientieren will“. So entstehen unter dem Glas unscharfe leuchtende Schlieren, Wölkchen und Schemen, die mehr einem Blinzeln auf die Natur ähneln. Alle Konturen scheinen nur aufzublitzen, um gleich wieder im weiten Feld der Abstraktion abzutauchen. Gut möglich, daß Bayer damit ein Kontrastmittel zum Bilderbrei aus der „Tagesschau“ gefunden hat. Umgekehrt stellen die Arbeiten aber auch ein Pendant zum gefilmten Weltgeschehen dar – jetzt ist es eben Malerei, die im Hintergrund davonfließt. Harald Fricke

Bis 17. Januar, Di.–Fr. 12–19 Uhr, Sa. 11–14 Uhr; Galerie Barbara Weiss, Potsdamer Straße 93