Kongo-Krieg erreicht die Zentralafrikanische Republik

■ Flüchtlinge und Kabila-Truppen in UN-beherrschter zentralafrikanischer Hauptstadt Bangui

Berlin (taz) – Die UNO steht in Afrika vor einer neuen Herausforderung. Der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo hat jetzt die Zentralafrikanische Republik erreicht, wo mit 1.620 Blauhelmsoldaten die derzeit größte UN-Mission auf dem Kontinent stationiert ist.

Seit Samstag sind nach Augenzeugenberichten 5.000 kongolesische Flüchtlinge in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui eingetroffen. Bangui liegt am Ubangi- Fluß, der hier die Grenze zwischen den beiden Ländern bildet. Die Kongolesen fliehen vor Übergriffen ihrer Regierungsarmee, die im Nordwesten Kongos gerade eine Reihe schwerer Niederlagen erlitten hat. Die kongolesischen Rebellen, die gegen das Regime von Präsident Laurent Kabila kämpfen, hatten zu Weihnachten die Stadt Genema 250 Kilometer südlich von Bangui eingenommen und marschieren nun in Richtung Gbadolite, einem kongolesischen Grenzort südwestlich von Bangui, wo ein Armeekontingent aus dem Tschad zur Unterstützung Kabilas stationiert ist. Unabhängigen Berichten zufolge standen die Rebellen gestern nur noch 30 Kilometer vor der Grenzstadt Zongo direkt gegenüber von Bangui.

Angesichts des Vormarschs zieht sich Kabilas Armee jetzt offenbar plündernd und brandschatzend aus dem Nordwesten des Kongo zurück. Nach Angaben aus Kirchenkreisen haben die Kabila- treuen Soldaten Zongo verwüstet, während Genema aus der Luft bombardiert wird.

Die UNO-Mission in der Zentralafrikanischen Republik hat auf die Eskalation der Lage bisher nicht reagiert. Die Blauhelmtruppe sei „in Alarmbereitschaft, aber in den Kasernen“, sagte gestern ein UN-Mitarbeiter in Bangui. Währenddessen konnten aber 300 aus Kinshasa eingeflogene Kabila-treue Soldaten am Sonntag auf dem nominell von der UNO überwachten Flughafen von Bangui landen und unbehelligt durch die UN-kontrollierte Hauptstadt zum Hafen fahren, um den Fluß zu überqueren und an die Front zu gelangen. Der zentralafrikanische Präsident Ange-Felix Patassé ist mit Kabila über einen Militärpakt verbündet.

Das Herannahen der Kriegsfront fällt zusammen mit einer neuen Krise in der Zentralafrikanischen Republik. Gestern nachmittag sollte erstmals das Parlament zusammentreten, das im November und Dezember unter UN- Überwachung neugewählt wurde. Aber die Opposition drohte mit einem Boykott nach der Eröffnungssitzung, weil sie sich um ihre Mehrheit betrogen sieht.

Bei den Wahlen hatte Präsident Patassés Partei MLPC (Befreiugnsbewegung des Zentralafrikanischen Volkes) 49 Sitze errungen, das Bündnis der neun Oppositionsparteien 53. Dazu kamen sieben Unabhängige. Von diesen stießen über Weihnachten zwei zur Opposition und fünf zur MLPC, so daß am Schluß das Oppositionslager auf 55 Stimmen zählen konnte und die MLPC auf 54. Aber in letzter Minute wechselte ein Abgeordneter der kleinen oppositionellen Sozialdemokratischen Partei (PSD) die Seite, so daß nun die MLPC über 55 Stimmen verfügt gegenüber nur noch 54 für die Opposition. Unter solchen Umständen ist keine stabile Regierungsbildung zu erwarten. Das bereitet der UNO mehr Kopfzerbrechen als die Lage jenseits der Grenze. Dominic Johnson