Schäuble definiert Integration neu

Die CDU will nun mit einer Unterschriftenaktion gegen die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mobil machen. Parteichef Schäuble will damit nicht nur die Hessenwahl gewinnen, sondern auch Stoiber bremsen  ■ Von Markus Franz

Bonn (taz) – Ein Wort konnte der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble gestern gar nicht oft genug sagen: „Integration“.

Die Unterschriftenliste, mit der die CDU gegen die von der rot- grünen Regierung geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mobil machen will, nannte er ein Mittel, um die „Integration“ zu verbessern. Doppelte Staatsbürgerschaft sei deshalb abzulehnen, weil sie schlecht sei für die „Integration“. Die Forderung nach Zuzugsbeschränkung von Ausländern bezeichnete Schäuble als unabdingbar – natürlich für die „Integration“.

Fragt sich nur, ob es Schäuble wirklich um Integration geht. Es sieht vielmehr ganz so aus, als setze die CDU darauf, durch die Polarisierung mit einem emotional besetzten Thema die Landtagswahl in Hessen am 7. Februar zu gewinnen.

Immer wieder kam der CDU- Vorsitzende gestern darauf zu sprechen, daß ein Sieg des CDU- Kandidaten Roland Koch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zugunsten der Union verändern würde. Sie könnte ähnlich wie die SPD in der vergangenen Legislaturperiode Gesetzesvorhaben erfolgreich blockieren, oder wie Schäuble es nennt, „einen rot- grünen Durchmarsch“ für zustimmungspflichtige Gesetze verhindern.

Die Union ist beileibe nicht so geschlossen gegen das Gesetzvorhaben der rot-grünen Regierung zur Staatsbürgerschaft, wie es Schäuble glauben machen will. In den letzten Wochen hatten Führungsleute der CDU aus Bund und Ländern in Hintergrundgesprächen immer wieder darauf hingewiesen, daß das Thema Staatsbürgerschaft eine große Chance zur Profilierung ihrer Partei sei. Im Grunde, hieß es, sei das Gesetzvorhaben der rot-grünen Regierung gar nicht schlecht. Es gehe nur insofern zu weit, als die doppelte Staatsbürgerschaft nicht zeitlich befristet sei. Eine differenzierende Haltung könne man der Bevölkerung aber nicht gewinnbringend verkaufen. Deshalb werde die Union wohl frontal gegen das ganze Gesetzvorhaben vorgehen müssen.

Einigkeit besteht in der Union lediglich darüber, daß die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft nicht unbefristet bestehen soll. Die jüngeren Abgeordneten der CDU, die schon seit Jahren für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts kämpfen, wollen ebenso wie die FDP, daß sich die Doppelstaatler mit Erreichung der Volljährigkeit für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Vor zwei Jahren hatten sie eine Unterschriftenliste gestartet, die 150 Mitglieder der Union unterzeichnet hatten, darunter Abgeordnete wie Heiner Geißler und Christian Schwarz-Schilling.

Schäuble hatte damals zwar versucht, die Unterschriftenaktion zu verhindern, galt aber dennoch als einer derjenigen in der Führungsriege der Union, die von einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts überzeugt waren. Wie es heißt, habe Schäuble nun auch deshalb zu dem Mittel der Unterschriftenaktion gegriffen, um den designierten bayerischen CSU- Vorsitzenden Edmund Stoiber von seinem Vorhaben einer Volksabstimmung abzubringen.

Vor allem die jüngeren Abgeordneten der CDU stehen nun vor einem Dilemma. Wenn sie sich gegen die Unterschriftenaktion ihrer eigenen Partei wenden, stehen sie als Sündenböcke da, falls die Hessenwahl verloren geht. Wenn sie sich nicht äußern, gelten sie als Feiglinge und Opportunisten.

Vorerst ziehen es die Abgeordneten um Peter Altmaier vor, sich nicht zu äußern. Möglicherweise wollen sie Mitte der Woche eine Presseerklärung abgeben.