: Der Herausforderer macht erste Punkte
■ Der Euro hat gestern an den internationalen Devisenmärkten von Sydney bis Frankfurt seinen ersten Härtetest mit Bravour bestanden. Noch ist der US-Dollar das Maß aller Dinge, aber einiges deutet darauf hin, daß der Euro den Dollar mittelfristig als Weltwährung ablösen könnte.
Gestern wurde der Euro zum Leben erweckt – ausgerechnet in Sydney. An der östlichsten Börse der Welt wurden die ersten Euros schon um fünf Uhr früh Ortszeit verkauft, als in Europa noch das sonntägliche Abendbrot serviert wurde. Ihren ersten Härtetest hat die neue Währung glänzend bestanden: Der Kurs zog gleich zu Beginn kräftig an. Hatten die europäischen Finanzminister zu Silvester den Euro-Kurs mit 1,1668 Dollar festgelegt, so mußten gestern in Tokio schon 1,1850 Dollar für den Euro gezahlt werden.
Dollar in der Defensive! funkten die Nachrichtenagenturen aus Australien und später auch den asiatischen Ländern. Zwar war der Umsatz mit Euro nicht sonderlich hoch, weil sich die Händler nach eigenen Angaben erst mal vorsichtig an die neuen Spreads (das ist die Differenz zwischen An- und Verkaufskursen) herantasteten. Aber deutlich wurde doch, daß viele asiatische Staaten Euros einkauften, um ihre Devisenreserven langsam umzuschichten: weg vom US- Dollar hin zum Euro.
In Japan titelte die Zeitung Mainichi frech: „Stürzt die Dollar- Herrschaft!“ Die chinesische Zentralbank hatte schon im Dezember angedeutet, sie wolle vorsichtig auf Euro umschichten. Angesichts der Finanzkrisen in Asien und Rußland nehmen die Sorgen über die Stabilität des Dollar-dominierten Weltwährungssystems zu. „Daher sind jetzt die Augen der Welt auf den Euro gerichtet, der die Chance hat, ein echter Rivale für den Dollar zu werden“, heißt es in der japanischen Zeitung. Vor allem Rußland werde sich, wenn es erst seine Finanzkrise im Griff hat, stärker am Euro als am Dollar orientieren wollen, glauben Experten.
Wird der Euro also nun die neue Weltwährung? Oder bleibt der US-Dollar unangefochten an der Spitze des weltweiten Finanzsystems, an der er seit Ende des Zweiten Weltkriegs steht? Sicher ist, das derzeit immer noch gut 57 Prozent aller Devisenreserven der Welt auf Dollar lauten und nur etwa 20 Prozent auf die Währungen, die jetzt in den Euro eingegangen sind. Insgesamt 1,5 Billionen Dollar halten die Staaten dieser Welt als Reserven, um damit den Wert ihrer eigenen Währungen zu decken, im Notfall zu deren Kurzstützung zu intervenieren und die Bezahlung der Importe des Landes zu garantieren.
Bis heute drückt man sich selbstverständlich in Dollar aus, wenn man beispielsweise mit einem Japaner oder einer Brasilianerin Preisvergleiche anstellt. Bis heute werden fast alle Rohstoffpreise auf der Welt in Dollar angegeben. Bei fast der Hälfte aller Im- und Exporte lautet die Rechnung auf Dollar, nur ein Drittel wird in Euro-Währungen abgerechnet.
Dennoch deutet sich ein langsamer Wandel an, zunächst symbolisch. Bisher wurde auf den internationalen Devisenmärkten der Dollar als Maß aller Dinge genommen: Ein Dollar kostete zum Beispiel gestern 1,68 Mark. Beim Euro ist es umgekehrt. Selbstbewußt heißt es jetzt: Ein Euro ist 1,18 Dollar.
Ob der Euro mittelfristig dem Dollar den Rang abläuft, hängt aber weniger von den Zentralbanken und ihren Währungsreserven ab als vielmehr von den privaten Investoren, die viel schneller ihre Anlagen umschichten, sobald Gewinne winken. Ob Anleger sich auf Euro-Wertpapiere stürzen, wird vor allem davon abhängen, ob die neue Währung über ihren ersten Handelstag hinaus an Wert hinzugewinnt.
Alles deutet darauf hin. Vor allem, weil alles darauf hindeutet, daß der Dollar schwächer wird: Die US- Wirtschaft verliert gegenüber den europäischen Wettbewerbern an Dampf, die politische Stabilität ist unter einem ständig fremdgehenden Präsidenten fragwürdig geworden, und das US-Handelsbilanzdefizit wächst. Schon im vergangenen Jahr war der Stern des Dollar am Sinken gewesen: Er verlor gegenüber der Mark ganze zwölf Pfennig. „Wir erwarten, daß der Euro der Star des Jahres 1999 sein wird“, zitiert Reuters den Chefdevisenstrategen einer britischen Investmentbank.
Das ist natürlich nicht unbedingt im Interesse der europäischen Volkswirtschaften. Je teurer der Euro, desto schwieriger sind die Bedingungen für die europäischen Exporteure. US-Ökonomen reiben sich da bereits die Hände. Bisher war es die US-Wirtschaft, die am meisten damit zu kämpfen hatte, wenn etwa die asiatischen Krisenländer reihenweise ihre Währungen abwerteten und damit immer wettbewerbsfähiger auf den Weltmärkten wurden. Jetzt hoffen die Amerikaner, daß die Europäer stärker mit in die globale Verantwortung genommen werden.
So recht an den Verlust ihrer Vormachtstellung glauben die Herren des Dollar aber nicht. Schließlich muß der Euro noch unter Beweis stellen, daß er die in ihn gesetzten Stabilitätserwartungen erfüllt. Dazu kommt, daß Finanziers von Natur aus konservativ sind. Noch Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des britischen Empires galt das Pfund weiterhin als Weltwährung. Nicola Liebert
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