Deutschland soll anders strafen

Eine Kommission des Justizministeriums berät über Alternativen zu Geldstrafe und Haft. Empfohlen wird eine „behutsame Ausweitung“ von Fahrverboten  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Die Reform des „Sanktionensystems“ ist eines der wichtigsten Ziele von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Neben Geldstrafe und Gefängnis sollen verstärkt alternative Sanktionen wie elektronischer Hausarrest oder Fahrverbot zum Einsatz kommen. Noch ist offen, ob der Justizministerin ein großer Wurf gelingt oder ob es nur punktuelle Veränderungen gibt.

Entscheiden muß sich Däubler- Gmelin vor allem, ob sie schon bald eigene Gesetzentwürfe vorlegt oder ob sie damit wartet, bis eine von ihrem Vorgänger Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) eingesetzte Kommission ihre Arbeit abschließt. Die zwölfköpfige Arbeitsgruppe unter dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Horst Eylmann (CDU) tagt seit vergangenem Frühjahr und wird ihren Abschlußbericht, so Eylmann, „frühestens Ende des Jahres“ vorlegen. „Bisher haben wir höchstens ein Viertel der Vorschläge diskutiert“, betont der Rechtsexperte. Der Kommission gehören außerdem Justizvertreter, Ministerialbeamte und Wissenschaftler an.

Ausgangspunkt ihrer Arbeit war und ist die zunehmende Unzufriedenheit mit den bestehenden Sanktionen Geldstrafe und Gefängnis. Die Geldstrafe schmerzt wenig, wenn die TäterInnen reich sind oder wenn die Strafe von nahestehenden Personen bezahlt wird. Andererseits können viele DelinquentInnen gar kein Geld aufbringen und werden ersatzweise in Haft genommen. Die Gefängnisse sind aber überfüllt und ohnehin für die „Resozialisierung“ wenig geeignet. In dieser Situation fand auch die alte Regierung plötzlich die Suche nach Alternativen attraktiv.

Dabei bemüht sich die eingesetzte Kommission nicht um Originalität. „Wir werden keine neuen Sanktionen erfinden und gehen davon aus, daß die relevanten Vorschläge bereits auf dem Tisch liegen“, erklärt Eylmann. Auch die im letzten Herbst aufgekommene Diskussion um ein Verbot von Urlaubsreisen wird souverän ignoriert. „So etwas kann man doch ohnehin nicht vernünftig kontrollieren“, begründet dies der Vorsitzende.

Beraten hat die Kommission aber schon das vieldiskutierte Fahrverbot für Kleinkriminelle. „Wir empfehlen eine behutsame Ausweitung dieser Sanktion“, faßt Eylmann das vorläufige Ergebnis zusammen. Derzeit spielt der Führerscheinentzug nur eine Rolle im Hinblick auf autospezifische Delikte. So kann die Fahrerlaubnis als präventive Maßregel auf Dauer entzogen werden, wenn der oder die TäterIn den Straßenverkehr gefährdet hat oder betrunken gefahren ist. Außerdem ist ein Entzug bis zu drei Monaten als Nebenstrafe möglich, wenn bei einer Straftat ein Auto eine Rolle gespielt hat, etwa wenn einE DiebIn mit dem Pkw zum Tatort gefahren ist.

Wenn es nach der Eylmann- Kommission geht, soll der Führerscheinentzug künftig bis zu sechs Monaten möglich sein, aber auf Delikte mit Autobezug beschränkt bleiben. „Bei einem Meineid halten wir das Fahrverbot nicht für sinnvoll“, so Eylmann.

Von Ministerin Däubler-Gmelin ist allerdings bekannt, daß sie das Fahrverbot lieber als Allzweckwaffe einsetzen würde. „Wir sind an die Empfehlungen der Kommission nicht gebunden“, heißt es denn auch in ihrem Ministerium. Wie ein Sprecher sagte, könnte schon bald ein eigener Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden. Auch Regelungen zum Täter-Opfer-Ausgleich, dessen Anwendung die Ministerin ermutigen will, könnten vorgezogen werden.

Eine „Reform aus einem Guß“, wie sie einst Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig vorschwebte und wie sie auch von den Justizverbänden gefordert wurde, wäre bei diesem Vorgehen allerdings in Frage gestellt. Andererseits wäre es in dieser Hinsicht auch sinnlos, auf die Eylmann-Kommission zu warten. Stur wird dort ein Thema nach dem anderen abgearbeitet, ohne nach übergeordneten Prinzipien einer möglichen Reform zu suchen. Konsequenterweise hätte die Kommission nichts dagegen, wenn „zwei bis drei Vorhaben schon vorab auf den Weg gebracht werden“.

Deutlich geworden ist Eylmann inzwischen aber etwas anderes: „Eine echte Reform kann kein Sparprogramm sein.“ Zwar hoffe die Landesjustiz, teure Haftplätze wegrationalisieren zu können, doch Alternativen wie gemeinnützige Arbeit seien nicht unbedingt billiger. „Man kann den Handtaschenräuber ja nicht einfach zu ,Essen auf Rädern‘ schicken und dann auf alte Leute loslassen“, gibt Eylmann zu bedenken, „da ist auch viel Betreuung nötig.“

Derzeit liegt die Kommissionsarbeit ohnehin auf Eis. Seit Oktober hat kein Treffen mehr stattgefunden. Zuerst will nämlich die Ministerin ihre Vorstellungen in einem persönlichen Gespräch erläutern. Derzeit wird nach einem Termin im Februar gesucht. Direktiven an die Kommission soll es dabei nicht geben und würden von Eylmann auch nicht akzeptiert. „So eine Kommission muß unabhängig arbeiten, sonst kommt da nichts Vernünftiges raus“, so der Vorsitzende, „die Politik kann dann ja immer noch eigene Wege gehen.“ Das weiß natürlich auch die Ministerin.