: Die Lust an der nützlichen Einfachheit
■ Designbüros in Bremen (1): Der gestandene Designer Eckhard Jung hat sich mit dem jungen Florian Pfeffer ein „wiskid“ ins Boot geholt / Nun kämpfen sie gegen Nackenschläge und Begriffe, die auf den Hund gekommen sind
Zwei Journalistinnen der Gestalterzeitschrift „PAGE“ staunten kürzlich über Bremen. Als sie den von Studenten an der Hochschule für Künste organisierten Kongreß „profile intermedia“ in den Messehallen verließen, sagte die eine zur anderen: „So eine kleine Schule, und doch machen die so viel.“ Eckhard Jung, Professor an der Hochschule und Teilhaber des Büros für visuelle Kommunikation „jung und pfeffer“, hat diesen Satz aufgeschnappt und fühlte sich wohl selbst ein wenig geschmeichelt. Tatsächlich hat sich in den vergangenen Jahren in Bremen etwas getan. Jung spricht sogar von einer „phänomenalen Entwicklung“, in der sich viele Ex-DesignstudentInnen in Bremen selbständig gemacht und neue Büros gegründet haben. Fünf Jahre nach einer taz -Bestandsaufnahme des Designs in Bremen greifen wir Jungs Analyse auf und stellen in loser Folge einige dieser Büros vor. Den Anfang macht Eckhard Jung selbst. Er ist zwar schon seit 20 Jahren in Bremen tätig. Doch erstens kann er die Entwicklung beurteilen. Und zweitens hat er sich jetzt mit dem viel jüngeren Florian Pfeffer einen Compagnion ins Boot geholt.
Ein alltäglicher Nackenschlag: Mit insgesamt drei Entwürfen hat sich das Bremer Designbüro „jung und pfeffer“ am Wettbewerb für den Auftritt der Kieler Woche 2000 beteiligt. Einem „jung und pfeffer“-Entwurf für das gesamte Erscheinungsbild des Segel- und Kulturfestivals gab die hochkarätig besetzte Jury den ersten Preis. Einen anderen „jung und pfeffer“ setzte der städtische Kulturausschuß auf Rang eins. Doch realisiert wird eine dritte Einreichung – ausgerechnet aus Kiel. Ein Künstlerpech. Mit dem DesignerInnen leben müssen. Auch solche, die sich aus Überzeugung lieber Gestalter nennen.
Noch ein Nackenschlag, doch der tat mehr weh. Denn über den möchte Eckhard Jung, die eine Hälfte des Duos „jung und pfeffer“, am liebsten gar nicht reden. In der wie ein Musterbogen aussehenden Selbstdarstellung der Agentur ist ein schwarzes Trauerblatt eingefügt. Unter der Überschrift „von a nach bsag“ steht: „den wettbewerb für das erscheinungsbild der bremer strassenbahn ag haben wir gewonnen, den auftrag allerdings nicht.“ Darunter ein Papierkorb-Symbol und der geringe Trost, daß immerhin einige Komponenten realisiert wurden.
Es ist schon verwunderlich, daß ein bekannter und erfolgreicher Gestalter wie Eckhard Jung, der halb als Hochschullehrer an der Bremer Hochschule für Künste und halb in der Agentur „jung und pfeffer“ arbeitet, noch immer solche Niederlagen einstecken muß. Die Schar von HochschulabsolventInnen, die sich neuerdings immer häufiger in Bremen selbständig machen, mag's beruhigen.
Eckhard Jung ist mit 54 Jahren der ältere von beiden. Er bringt, wie Peter Rea, Gastprofessor an der Bremer Hochschule für Künste, sagen würde, die „wisdom“ in die Beziehung ein. Florian Pfeffer dagegen ist 28 Jahre jung. Nach Reas Begriffen ist Jungs ehemaliger Schüler ein „wiskid“ und sprudelt, wie Kenner der Anfang 1998 gegründeten Agentur wissen, vor Einfällen. Sichtbar ist die Arbeit des aus der „designgruppe jung“ hervorgegangenen Büros in der Stadt und der Region allemal: Das Logo am Congress Centrum, die Stele am Wall-Boulevard oder eine Kampag-ne für die „Speckgürtel“-Gemeinde Stuhr stammen von „jung und pfeffer“ und Vorgängern. Neben zahlreichen Plakaten und mehrfach preisgekrönten Buchgestaltungen gesellen sich auch die erwähnten Komponenten für die BSAG hinzu: Die Gestaltung vieler Haltestellen, die angefangene Vereinheitlichung von Symbolen und Hinweisen, der wegen seiner der Topographie entsprechenden Struktur gar nicht „modische“ Stadtplan in den Straßenbahnen und die sogenannten Perlschnüre, mit denen sich auch Unkundige im öffentlichen Nahverkehr in Bremen zurechtfinden können, haben sich „jung und pfeffer“ ausgedacht.
Es hat, sagt Eckhard Jung, lange gedauert, bis er in Bremen ein Bein an den Boden bekommen hat. Als der in Ulm ausgebildete Gestalter 1979 von Düsseldorf in die Hansestadt zog, war für Neulinge kaum Platz. „Die Aufträge, die vergeben wurden, gingen immer an dieselben.“ Da kam der Kontakt zur BSAG recht. Das „Corporate Design“ des Unternehmens war ein Sammelsurium aus häßlichen Haltestellen, unübersichtlichen Fahrplänen und Hinweisen, die aus dem Amtsblatt hätten stammen können und zum Teil dem nach Jung damals modischen Credo „möglichst laut, möglichst schick und möglichst fetzig“ gehorchten. An einem Haltestellenwettbewerb hat Jung teilgenommen, ein ursprünglich nicht vorgesehener Preis für das Kommunikationsdesign war der Lohn. Ein Einladungswettbewerb für die „Corporate Identity“ folgte. Doch nach Einstellung neuer MitarbeiterInnen und monatelanger Arbeit fand Jung eine lapidare Absage im Briefkasten.
„Das hat ziemlich reingehauen“, sagt Jung und meint den wirtschaftlichen Aspekt. Sein Partner Florian Pfeffer ergänzt: „Was wir machen, ist Kommunikation, und die funktioniert erst, wenn sie beim Auftraggeber ankommt.“ Wenn sie nicht ankommt, hat man einen schönen Entwurf in der Schublade und sonst nichts.
Nach der Berufsauffassung befragt, nennt Eckhard Jung zunächst den Begriff „nützliche Gestaltung“ und erst dann „die Form“. Um das Wort „nützlich“ etwas an die Seite zu schieben, ergänzt er: „Wir lieben schöne Sachen“ und spricht dann doch den Generalisten Otl Aicher, die Ulmer Hochschule für Gestaltung und – als weiter zurückliegende historische Folie – die Bauhaus-Tradition an. „Der Designbegriff ist mit den Assoziationen Zierleiste, Chromleiste und Luxus auf den Hund gekommen“, sagt Jung. Wer wie er „nützliche und schöne Dinge preiswert“ herstellen will, nennt sich deshalb Gestalter. Und die Partnerschaft „wisdom“ und „wiskid“? Florian Pfeffer, der einen ähnlichen Hintergrund für sich in Anspruch nimmt: „Für ihn heißt es, nicht stehen zu bleiben.“
Zumal die Konkurrenz größer wird. „In Bremen“, sagt Florian Pfeffer, „hat sich eine Szene entwickelt.“ Gestaltung und visuelle Kommunikation sind die Bremer Schwerpunkte, weil erstens das Interesse daran wächst und man zweitens mit den großen, auf Werbung spezialisierten Agenturen in Hamburg oder Düsseldorf nicht mithalten kann. Die noch vor kurzem weißen Flecken der visuellen Kommunikation: Firmen, die ins Internet drängen, Behörden, die Kundenzentren eröffnen, Krankenhäuser, die ihre Leistungen positionieren müssen und sich eine „Corporate Identity“ zulegen.
Und hat die Bremer Designförderung Einfluß auf diese Entwicklung? Jung und Pfeffer sind sich da nicht sicher, verneinen eher. Ihr Eindruck: Was die Ausstellungen betrifft, wird zu viel Populäres, Spektakuläres, Gängiges gemacht. Pfeffer: „Ich würde auf keinen Fall eine Philippe-Starck-Ausstellung machen, weil das diesen falschen Design-Begriff zementiert. Ich wünsche mir mehr Mut zum Experimentellen.“ Jung: „Ich wünsche mir eine Ausstellung über das Einfache.“ Trotz des Berufsalltags im Büro nimmt sich Florian Pfeffer noch Zeit für seine persönliche Form der Design-Förderung. Mit einem unter den „wiskids“ heute normalen Mut zur Größe hat er einen Wettbewerb namens „:output calls for input:“ organisiert. Bei diesem ersten internationalen Hochschulwettbewerb haben StudentInnen aus 15 Ländern über 500 Arbeiten eingereicht. Über 80 davon hat eine Jury zur Veröffentlichung in einem bemerkenswerten Buch ausgewählt. „So ein kleines Büro, und doch machen die so viel“, würde die „PAGE“-Kollegin sagen, wenn die Zeitschrift nicht Unterstützer des Wettbewerbs wäre. Christoph Köster
Florian Pfeffer und Dieter Kretschmann (Hrsg.) „:output calls for input:“, 58 Mark, Verlag Hermann Schmidt, Mainz
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