Hauptstadtrundgänge mit gewissem Anspruch

■ Kleine Lebenshilfe für BesucherInnen, Gastgeber und Neuberliner: Das Kulturbüro bietet in der Wintersaison noch mehr als dreißig Sightseeing-Touren mit thematischen Schwerpunkten an

Viele Berlin-Besucher kennen inzwischen den Geheimtip: Sie gehen mit dem 100er Bus auf Sightseeing-Tour: In weniger als 40 Minuten sind Attraktionen wie Staatsoper, Brandenburger Tor, Reichstag, Schloß Bellevue und Siegessäule „im Kasten“. Wer aber nicht nur Fotomotive sucht, sondern Interesse für Kunst, Kultur, Architektur und Geschichte der alten und neuen Hauptstadt mitbringt, dem empfiehlt sich das Kulturbüro Berlin.

Seit zehn Jahren bietet der Verein thematische Stadtführungen an, bei denen Kultur- und Kunsthistoriker mit Sachkenntnis und dennoch auf unterhaltsame Weise ganz spezielle Seiten Berlins zeigen. Das Herbst- und Winterprogramm offeriert noch bis Ende Februar Führungen und Rundfahrten zu 32 Themen. Ganz oben stehen die Stadt(ver)führungen rund um die Synagoge in der Oranienburger Straße oder durch das Scheunenviertel auf den Spuren jüdischen Lebens, von Osten nach Westen auf dem einstigen Mauerstreifen entlang oder durch den Prenzlauer Berg „mit seinem Leben zwischen alternativ und chic“.

Altbewährt sind auch die Architekt(o)uren. Sie führen durch das historische Berlin vom Gendarmenmarkt über den Schloßplatz hin zum Nikolaiviertel, durch die Friedrichstraße oder auch nach j(anz) w(eit) d(draußen) zum teuersten Baugrund Berlins, zu den Grunewald-Villen. Nach wie vor Dauerbrenner ist die „Gauner, Gangster, Galgenvögel“-Route, bei der von Tatort zu Tatort durch die „Kulturgeschichte des Verbrechens“ geführt wird.

Neu im Angebot ist eine Tour „Von Monbijou bis Tacheles“, in deren Mittelpunkt die 300jährige Geschichte der Oranienburger Straße steht. Speziell für „Einsteiger und Newcomer“ wurde eine Entdeckungsreise von der sich wandelnden West-City am Zoo über Potsdamer Platz, Friedrichstraße, Gendarmenmarkt, Unter den Linden bis zum Dom und zur Museumsinsel ins Programm genommen. Ein „Touris-Muß“ ist auch die „Prenzelberg“-Kieztour durch ein „Szene- und Wohnviertel, auf der Suche nach einem Lebensgefühl zwischen Wurzelbürstenladen, Hinterhoftheater und High-Tech-Büro“.

Wer sich eher für die „Metropole im Bau“ interessiert, kann wählen zwischen Berlins neuem Gesicht rund um den Potsdamer Platz, dem „anderen“ Regierungsviertel zwischen einstiger Bolle- Meierei und dem neuen Bundespräsidialamt und einem Rundgang durch den Plattenbaubezirk Hellersdorf, der zum Prototyp der Umgestaltung einer DDR-Großsiedlung zu einem lebenswerten Stadtteil werden soll.

Highlights für Kunstliebhaber dürften die „NonSense“-Führungen durch die Gegenwartskunst im Hamburger Bahnhof sein. Das „besondere Angebot“ widmet sich der Berliner Theatergeschichte von Heinrich Georges „Götz“ bis Judy Winters „Marlene“ – mit theaterhistorischer Stadtführung, Besichtigung des Renaissance- Theaters, Einkehr im restaurierten Grünen Salon und schließlich ein Besuch des Stückes „Marlene“ mit Judy Winter in der Titelrolle.

Für alle, die in der kalten Jahreszeit lange Rundgänge scheuen, gibt es außergewöhnliche Busfahrten. So geht es wahlweise durch das nächtliche Berlin „zu den illuminierten Highlights des Amüsemangs“ von einst und heute oder durch die Berliner Hochhausgeschichte vom „Turmhochhaus bis zum märkischen Manhattan“. Die dritte Tour beschäftigt sich mit der Architektur, die im südöstlichen Stadtzentrum auf „ruinösen Industrievierteln“ neu entstanden ist. Iris Hansch

In der Regel dauern die Stadtrundgänge eineinhalb Stunden und kosten 14 Mark. Weitere Informationen sind beim Kultur Büro Berlin erhältlich. Fon: (030) 444 09-36.