Grabenkämpfe in der britischen Regierung

Die jüngsten Rücktritte in der britischen Regierung enthüllen tiefe Gräben zwischen Premier Tony Blair und Finanzminister Gordon Brown. Blair nutzte die Gunst der Stunde, doch die Affären könnten ihn einholen  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Es sollte alles anders werden. Die britische Labour- Regierung war nach ihrem Wahlsieg im Mai 1997 als harmonisches Team angetreten und versprach Transparenz, Aufrichtigkeit und eine ethische Außenpolitik. Der letzte Punkt ist spätestens seit der Bombardierung Bagdads zweifelhaft. Die ersten beiden Punkte waren schon mit dem Amtsantritt ad acta gelegt worden.

Die Regierung verließ sich von Anfang an auf Medienmanipulation, um im günstigen Licht zu erscheinen. Das Verkaufen der Politik hatte stets Vorrang vor den eigentlichen Inhalten. Mit dem Rücktritt des Handelsministers Peter Mandelson kurz vor Weihnachten und seines Intimfeindes Charlie Whelan, Sprecher von Finanzminister Gordon Brown, der vorgestern seinen Rücktritt ankündigte, sind die beiden einflußreichsten „Spin Doctors“ in der Versenkung verschwunden.

Die Rücktritte haben die tiefen Gräben offengelegt, die im Kabinett herrschen. Vor allem zwischen Premierminister Tony Blair und Gordon Brown kann von Harmonise keine Rede sein. Beide hatten sich nach dem plötzlichen Tod des Labour-Führers John Smith 1994 um dessen Nachfolge beworben. Blair gewann nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung Peter Mandelsons. Brown hat sich weder mit der Niederlage abgefunden noch Mandelson je verziehen.

Whelan, der bis 1990 der Kommunistischen Partei angehörte und noch immer ein Che-Guevara-Medaillon um den Hals trägt, bestreitet, die Informationen über Mandelsons geheimgehaltenen Privatkredit von Finanzstaatssekretär Geoffrey Robinson dem Guardian zugespielt zu haben, und die Zeitung gibt Whelan recht. Der Kredit für den Hauskauf, obwohl keineswegs illegal, kostete Mandelson und Robinson den Kopf. Whelans erzwungener Rücktritt hatte in Wahrheit wenig mit der Behauptung zu tun, er habe Mandelson ans Messer geliefert. Blair und seine Leute hatten zuvor bereits vergeblich versucht, den Sprecher loszuwerden, der rücksichtslos manipulierte, wenn es Brown nützte.

Whelans Pressegespräche im Wirtshaus Red Lion waren berüchtigt. Mal plauderte er aus, Britannien werde vor den nächsten Wahlen nicht der Währungsunion beitreten, mal machte er sich über Mandelsons Privatisierungspläne lustig. Bisher konnte Brown seinen Sprecher schützen, doch seit der Mandelson-Affäre wurde er auch für seinen Chef zum Risiko. Blair ergriff die Gelegenheit, um seine eigenen Leute in die Regierung zu holen. Alan Milburn und Stephen Byers, die die verwaisten Stühle besetzen, sind dem Premier ebenso treu ergeben wie Lord Falconer, der sich nun um Mandelsons Jahrhundertprojekt, die Millennium-Kuppel, kümmert. Lediglich die 44jährige Dawn Primarolo, die zur neuen Finanzstaatssekretärin ernannt wurde, gehört Browns Lager an. Nachdem sie 1987 ins Unterhaus eingezogen war, trat sie für atomare Abrüstung und den britischen Rückzug aus Nordirland ein, bekämpfte Margaret Thatchers Kopfsteuer und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Rechtsruck der Labour Party. Auf die Frage, wie sie zur Verfechterin von New Labour wurde, sagte sie: „Ich hatte keine Lust, in der Regierung die Opposition zu sein.“ Von Browns acht engsten Vertrauten, die er bei Amtsantritt um sich hatte, blieben nur drei.

Whelan, der gern und ausgiebig fluchte, erklärte Journalisten einmal, wie seine Äußerungen zu interpretieren seien. Wenn er sage, eine Nachricht sei „arschblöd“, dann sei sie wahr. Sie sei erst recht wahr, wenn er sie als „völlig arschblöd“ bezeichne. Nur wenn er ausdrücklich sage, eine Meldung sei „unwahr“, dann sei sie es auch. Die Gerüchte, er habe Mandelson gestürzt, tat er als unwahr ab, doch es nützte ihm nichts. Die Labour-Basis moniert, daß Blair und ein kleiner Kreis seiner Jünger immer mehr Macht anhäuften und alle wichtigen Entscheidungen selbst träfen. Hält Blair an seinem Stil fest, könnten sich die Affären für ihn noch als Bumerang erweisen.