Sexualität als öffentliche Angelegenheit

■ Das B-Movie widmet dem schwulen Aktivisten und Artisten Rosa von Praunheim eine Reihe

Oh Gott, nicht dieser von Praunheim schon wieder! Es gab eine Zeit, da war es für etliche Eingeweihte durchaus angebracht, sich vor den Auftritten des schwulen Filmemachers in Funk und Fernsehen zu fürchten. Der Grund: Rosa von Praunheims rüde Akte des Outings, jener zumindest für die Betroffenen unfreiwilligen Bloßstell-Arien, infolge derer es pro Offensive mindestens einen geheimen Schwulen weniger im deutschen Promi-Land gab.

Dank von Praunheim drohte eine in der Szene liebgewonnene Form von Klatsch die eigenen Kinder zu fressen. Indes: Überlebt haben es alle. Als bekanntestes Opfer traf es neben der längst entlarvten Talk-Triene Alfred Biolek damals auch den Komiker Hape Kerkeling. Seit seiner sexuellen Demaskierung vor gut acht Jahren moderiert der blondierte Witz-Pummel eine schwule Gala nach der anderen und macht sich auch sonst für die eigenen Leute stark. Für von Praunheim gehörten alle schwulen Promis, und eben besonders jene, die unerkannt davonkommen wollten, an die Polit-Front geschickt, um dort als gesellschaftlich anerkannte Leitfiguren ihren Beitrag zur Gleichstellung homosexueller Menschen zu leisten.

Eine ostentative, oft wirksame, vor allem aber fragwürdige Art der Aufhebung privater und öffentlicher Sphären, die dem fordernden Act-Up-Aktivisten, neben der Gewißheit, viel für das öffentlich-schwule Bewußtsein getan zu haben, auch eine Menge Schelte einbrachte. Überstanden hat er jene Unkenrufe mit links, dafür hatte der 1942 in Riga geborene Holger Mischwitzky ohnehin Größeres im Sinn. Er mußte im herkömmlichen Sinne Aufklärung betreiben und Wege ebnen. Denn leicht ließe sich folgende Regel aufstellen: ohne Rosa von Praunheim kein Comiczeichner Ralf König, keine Schwulen-Mami Lotti Huber und auch kein noch so drolliger Dirk Bach.

Das B-Movie zeigt diesen Monat eine fünfteilige Werkschau von und mit Rosa-Überall, die vor allem offenbart, wie sehr öffentliche Person, Politik und filmisches Werk ineinanderreichen. Die Frühwerke Die Bettwurst von 1970 und dessen Fortsetzung Die Berliner Bettwurst (1973) begleiten die Liebesgeschichte von Luzi und Dietmar vom Bett nach Berlin, von trauter Zweisamkeit hinein in die Problemfelder Drogenmißbrauch, Eheschließungen und Steuervergünstigungen.

Der bundesweit populärste Film von Praunheims ist das 92er Porträt Ich bin meine eigene Frau, in dem Charlotte von Mahlsdorf als bekanntester Transvestit der früheren DDR aus dem eigenen Lebens-Nähkästchen von der Kaiserzeit bis zum Mauerfall plaudert. Von ähnlich epochalem Charakter ist die 100minütige Dokumentation Schwuler Mut – 100 Jahre Schwulenbewegung. Darin zeigt von Praunheim, daß zumindest die Sichtweise auf die vornehmlich männliche Form gleichgeschlechtlicher Liebe „von den Griechen bis zur Gegenwart“ nur eine Konstante aufweist: den Willen zur Distanzierung. Es gibt viel zu tun, filmen wir es ab.

Oliver Rohlf

Neurosia: Do, 7; Sa, 9., So, 10. Januar, jeweils 20.30 Uhr. Die Bettwurst: Do, 14.; Sa, 16.; So, 17. Januar, jeweils 20.30 Uhr. Die Berliner Bettwurst: Do, 21.; Sa, 23.; So, 24., jeweils 20.30 Uhr. Ich bin meine eigene Frau: Do, 28.; Sa, 30. (anschließend Party); So, 31. Januar, jeweils 20.30 Uhr. Schwuler Mut – 100 Jahre Schwulenbewegung: Di, 12.; Di, 26. Januar, jeweils 19.30 Uhr, B-Movie