Heiteres Reisewetter

Mit Die Kurve, einer Farce aus den 60er Jahren von Tankred Dorst, startet das Altonaer Theater absurd ins neue Jahr  ■ Von Britta Peters

Anton und Rudolf lungern in ihrem Garten herum. Es ist noch früh am Tag, und die Brüder streiten sich. Erst über den „Mambo típico“, dann übers Wetter. Angesichts des strahlenden Sonnenscheins bekommt Rudolf gute Laune – steigt damit doch die Wahrscheinlichkeit, daß wieder einmal ein Autofahrer geblendet aus der Kurve fliegt und ein Wrack zum Verkaufen im heimischen Garten landet. Ganz anders dagegen Anton, der von Schuldgefühlen gebeutelt wird. Seine Aufgabe ist die würdevolle Beerdigung der Opfer. Als der erwartete Unfall schließlich passiert, spitzt sich der Konflikt zwischen den beiden zu. Denn im Unterschied zu den vorangegangenen 24 Opfern hat Nummer 25 die Kurve überlebt.

Tankred Dorsts absurdes Theaterstück Die Kurve wurde 1960 in Lübeck uraufgeführt. Die zur Entstehungszeit wirkenden Einflüsse von Autoren wie Beckett oder Ionesco auf den damals 35jährigen Dorst sind unverkennbar. Trotzdem wurde die Farce bis heute immer wieder gerade auch von kleineren Bühnen gespielt – und das nicht nur, weil sie sich als Einakter für drei Personen ohne allzu großen Aufwand realisieren läßt. Die bitterböse Ausgangskonstellation und das rührende Bemühen um die letzte Ruhe der Toten – Anton und Rudolf unterhalten sogar einen Privatfriedhof – erinnern an Frank Capras Verfilmung von Arsen und Spitzenhäubchen. Auch dort entledigen sich zwei alte Schwestern sehr liebevoll aber bestimmt ihrer jeweiligen Untermieter. Das Stück von Dorst ist jedoch insgesamt schärfer formuliert. Hinter der Komik lauert eine sarkastische Gesellschaftskritik, festgemacht an der Frage nach Zuständigkeit, Schuld und behördlichem Desinteresse an den Unfällen.

In der unter der Regie von Falk Hocquél entstandenen deutsch-schweizerischen Co-Produktion weiß man den Spielraum, den die Vorlage bietet, geschickt zu nutzen. Die Bühnengestaltung ist zurückhaltend und auf einige symbolische Gegenstände reduziert. So steht ein fahrbares Gestell, im Fachjargon auch „Hund“ genannt, stellvertretend für Rudolfs Tätigkeit als Automechaniker, oder ein Beil dient als Andeutung von Gewalt schlechthin. Viel Platz also für die schauspielerische Leistung von Thomas B. Hoffmann als Rudolf, Ralph Jung als Anton und Klaus Falkenhausen als überlebender Autofahrer.

Der Soundtrack aus populären Songs von Beethoven bis Screaming Jay Hawkins unterbricht das dialoglastige Stück. Wenn Anton seinen ganzen Frust zu einem Technostück rappt oder mit dem verunglückten Autofahrer „Girl from Ipanema“ zu tanzen beginnt, gewinnt das Bühnenstück jene zusätzliche narrative Ebene, die man sonst eher aus Kinofilmen kennt. Nebenbei wird das musikalische Gedächtnis der Zuschauer miteinbezogen. So lange, bis es am Ende heißt: „Good night, my Love“.

Premiere: Do, 7. Januar, 20 Uhr, Foyerbühne Altonaer Theater