Johnny Depp und eine Barbiepuppe

■ Warum Tournee-Produktionen manchen Leuten besser gefallen als Stadttheater-Opern: die „Zauberflöte“ in der Glocke

Durch die expansive Freude meiner Nachbarin am Geschehen kam ich mit ihr ins Gespräch: „Nabucco vor einigen Jahren war so daneben, daß ich seitdem Fan von solchen Veranstaltungen bin. Das ist nicht so anstrengend wie im Theater am Goetheplatz!“ Solche Veranstaltungen: Tournee-Opern. Hier: Mozarts „Zauberflöte“ in der Glocke, ein Gastspiel der Prager Kammeroper. Die urige Bemerkung meiner Nachbarin bewirkte bei mir, daß ich nach der Pause auch ein bißchen Freude hatte, zumal die musikalische Wiedergabe – sagen wir einmal – nicht schlecht war. Vieles gehetzt, vieles aufgedreht, aber insgesamt akzeptabel: Mozarts Musik ist immer wieder von neuem ein Wunder.

Es gab im Programmheft die Positionen „Musikalische Leitung“ und „Dirigent“. Was solcherart Arbeitsteilung bedeuten soll, blieb ein Geheimnis, denn bei beiden stand derselbe Name. Gott sei Dank, sonst wären wir ja vollkommen verwirrt. Der Regisseur Jan Stych inszeniere laut Programmheft in einem modernen Stil, was auch immer das heißen mag, er lege Wert auf Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit.

Zu sehen war davon nichts, es sei denn, man versteht darunter Marke Eigenbau eines jeweiligen Sängers. Denn die inzwischen auch unsauber gewordene Szene – verfrühte Reaktionen, falsche Blicke, mangelnde Körperhaltung und vieles mehr – transportierte nichts an Interpretation von Mozarts widersprüchlichem Märchen. Wenn man nun ganz gutwillig ist, kann man sogar sagen: nicht schlecht, die Gegensätze einmal so zu lassen. Im ersten Akt ist Sarastro der Böse, weil die Königin der Nacht es so sagt, und im zweiten die Königin der Nacht, weil Sarastro es so sagt.

Tamino sah aus wie Johnny Depp, von dessen Ausstrahlung allerdings konnte der namenlose Sänger – ein dickes Programmheft ohne Besetzung – nur träumen. Mehr war aber kaum erforderlich, hatte er doch als Pamina eine Barbiepuppe zur Seite, deren scharfer Gesang mehr weh tat als Labsaal war. Die anderen: ein pathetischer Sarastro, der – stets die Hand am Herz – schier platzte vor Strahlen und Güte, was sein knödeliges Singen nur ungenügend wettmachte. Akzeptabel Papageno und recht gut Papagena. Auch die Königin der Nacht bewältigte ihre Koloraturen nett. Aber die Szene blieb chemisch rein von allem, was in der Musik passierte. Unsäglich steif die drei Knaben, affig verzappelt die drei Damen, und der Chor stand genervt herum, als hätten die SängerInnen die Nase von dieser Tournee schon voll.

Es gab im zur Hälfte gefüllten Saal herzlichen Beifall. „Ich find' das so lustig“, meinte meine Nachbarin. Ute Schalz-Laurenze