Ausbildungsmisere in Bremen

■ Bremen hat im Vergleich mit den alten Bundesländern die schlechteste Bilanz bei abgeschlossenen Lehrverträgen / Arbeiterkammer kritisiert Ausbildungspolitik Bremer Betriebe

Die Arbeiterkammer Bremen hat gestern ein verheerendes Fazit zur Ausbildungsplatzsituation in Bremen 1998 gezogen. Während die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den alten Bundesländern um 4,4 Prozent und in den neuen Ländern um 2,8 Prozent zunahm, mußte Bremen einen Rückgang um ein Prozent hinnehmen. An der Spitze liegt Berlin mit plus 16,4 Prozent. Die Arbeiterkammer beruft sich auf eine Bilanz des Bundesinstituts für Berufsausbildung (BIBB) zum Stichtag 30. September. Fazit der Arbeiterkammer: „Die öffentliche Diskussion ist mehr von Zweckoptimismus als von der Wahrnehmung der Realität geprägt.“

Zusätzlich kritisiert Hella Baumeister von der Arbeiterkammer, daß von den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Land Bremen insgesamt 322 Lehrstellen auf außerbetriebliche Ausbildung entfallen, die vom Bund finanziert wird. „Von einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt kann unter diesen Bedingungen keine Rede sein“, so Baumeister. „Die Arbeiterkammer fordert darum weiterhin eine Ausbildungsplatzabgabe für Betriebe, die nicht ausbilden.“

Programme des Landes Bremen bezeichnet sie als „Lückenbüßen“. Es fehle an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Dies liege nach wie vor in der Verantwortung der Wirtschaft, so die deutliche Kritik der Arbeiterkammer. Zumal ein weiteres Eingreifen des Landes Bremen nicht finanzierbar sei.

Allerdings trägt das Land Bremen selbst auch eine Mitschuld an der Negativbilanz. Denn gerade im öffentlichen Dienst ist der Rückgang der abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit einem Minus von 23,5 Prozent enorm hoch. Diese Zahl wird lediglich übertroffen vom Bereich Landwirtschaft mit minus 40,6 Prozent. Im Gegensatz dazu schneiden die größten Bereiche – Industrie und Handel sowie Handwerk – mit plus 1,7 Prozent und 0,3 Prozent positiv ab. In diesen Zahlen sind aber wieder die außerbetrieblichen Ausbildungsplätze enthalten. „Und die sind 1998 nicht wegen des Engagements der Betriebe aufgestockt worden“, so Baumeister. „Da spielt schon eher der Wahlkampf eine Rolle.“

Bei der Bremer Handelskammer will man dies so nicht gelten lassen. „Wir haben im vergangenen Jahr mehrfach Aktionen gestartet. Zusätzlich haben wir extra Ausbildungswerber losgeschickt“, berichtet der stellvertretende Kammer-Geschäftsführer Jens Jensen. „Unsere Bilanz ist positiv.“ Ähnlich präsentiert sich die Handwerkskammer. Hauptgeschäftsführer Hans Meyer-Heye sagt: „Ich kann die schlechte Position Bremens aus unserer Sicht nicht nachvollziehen. Wir liegen im Plus.“

Beim Land Bremen wird der Negativ-Trend mit den Haushaltsschwierigkeiten begründet. Peter Prill, Sprecher von Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD), hält die Zahlen des BIBB zudem für problematisch. „Während Bremen 1997 einen Rückgang der unvermittelten Bewerber von 30,1 Prozent verzeichnen konnte, lag der Durchschnitt in den alten Bundesländern nur bei 27,4 Prozent“, so Prill. „Damit haben wir eine bessere Basis, die aber beim BIBB nicht mitgerechnet wird. Das Gleiche gilt für die Anzahl der gemeldeten Lehrstellen. Bremen hat ein Plus von 7,2 Prozent, die alten Länder ein Minus von 0,5 Prozent.“ Prill räumt aber trotzdem ein, daß es „noch zu viele unversorgte Jugendliche gibt“. Insgesamt waren dies im Land Bremen im vergangenen Jahr 499. Jens Tittmann