Teutonen mit Turban

„Niemand ist vollkommen“, sagt sich Jörg S. beim Spaziergang durchs alte Revier, wobei er wie gewohnt die Phrase in gutes Erbdeutsch übersetzt. „Natürlich konnten wir die Stadt nicht völlig ent- fremden, aber wir haben Schluß gemacht mit dem Toleranzgequassel, haben gezeigt: Wo ES ist, muß Deutschland werden...“ Schon will er mit zufriedenem Grinsen sich wieder wegbegeben, in das neue märkische Einsatzgebiet, da kommen ihm aus der Lausitzer Straße junge Leute entgegen, mit Kippa, Kopftuch und Turban – und laute Witze erzählend in klarstem Berlinisch. Jörgs Grinsen ist eingefroren. „Flucht nach vorn“ steht auf der Tür geschrieben, aus der die Gruppe getreten ist. War nicht dies die Schule, welche sein Kollege vom Jugendressort gefördert hat, um wäßrige Bangladeschis zu waschechten Germanen zu schmieden? Ja ja.In Wirklichkeit haben hier multikulturelle Maulwürfe all die Jahre hindurch den von Jörg S. erträumten teutonischen Großstadtpark untergraben; Hunderte junger Flüchtlinge sind in diesen Räumen fit gemacht worden für den Kampf mit Substantivierungen, Deklinationen und widerspenstigen Ämtern. Ein schwarzer Tag für Jörg S., diese verspätete Entdeckung des fremdländischen Virus im Herzen der Republik... mr

Flucht nach vorn – Beratung, Bildung und Betreuung junger Flüchtlinge; Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin, Tel. 6188081 oder 6117089