Der Krieg um die Medien

Die Medien im Kosovo waren bislang erstaunlich frei. Jetzt setzt das Belgrader Regime die Presse unter Druck, während die Rebellen von der UCK in den Äther vordringen  ■ Aus Priština Thomas Schmid

Die modernen Feldherren wissen: Jeder Krieg ist auch ein Krieg um die Öffentlichkeit. Das gilt auch für den Kosovo, wo der Krieg zur Zeit auf Eis gelegt ist. In Priština, der Hauptstadt der umstrittenen Provinz, gibt das serbische Medienzentrum, das im größten Hotel der Stadt Journalisten einen Raum mit Telefon und Fax bereitstellt, jeden Tag ein professionelles Bulletin heraus. Da ist oft von Attacken albanischer Terroristen die Rede, aber es werden auch Berichte internationaler Agenturen gedruckt, vor allem wenn sie die Positionen des Belgrader Regimes referieren – mitunter stößt man auch auf kritische Artikel.

Das Gegenstück dazu gibt die LDK, die größte kosovo-albanische Partei, am Sitz von Präsident Rugova heraus, einem Häuschen, das am Rand des Fußballstadions steht und eher den Namen Baracke verdient. Das in der Regel nur vier bis acht Seiten dicke Informationsblättchen wird für jeden Journalisten, der vorbeischaut, extra kopiert. Man spart an Material. Der Hauptteil besteht aus Nachrichten über die Repression der serbischen Seite – außer am Freitag, dann gibt nämlich Präsident Rugova seine notorisch langweilige wöchentliche Pressekonferenz, die sich im Bulletin in epischer Breite niederschlägt.

Journalisten können inzwischen ohne größere Schwierigkeiten durch die Provinz reisen. Die vielen serbischen Checkpoints sind durch wenige mobile Identitätskontrollen abgelöst. Doch den meisten Albanern scheint eine Fahrt durchs Land noch zu riskant. Sie beziehen ihre Informationen im wesentlichen durch Fernsehen, Radio und Zeitungen. Das Fernsehen ist fest in staatlicher serbischer Hand, das Radio war es bis Montag auch, seither gibt es nun einen Rebellensender: „Das freie Kosovo“. Noch läßt sich wenig über den Sender sagen (siehe Kasten). Aber über die Presse lohnt es sich, einige Worte zu verlieren.

Während die serbischen Blätter im Herbst von Restriktionen gebeutelt wurden, hatte die kosovo- albanische Presse während der Kriegshandlungen erstaunliche Freiheiten. Sie sprach unverblümt von den serbischen Kriegsverbrechen, druckte ungestraft die Kommuniqués der albanischen Guerilla und manifestierte unverhohlen ihre Sympathien mit dem bewaffneten Widerstand. Doch nun zeichnet sich eine neue Linie ab.

Am 17. Dezember erhielten alle drei kosovo-albanischen Blätter vom Belgrader Informationsministerium einen Brief: Sie sollten das Pressegesetz beachten. Am selben Abend erfuhr Binak Kelmendi, Chefredakteur von Buyku („Bauer“), daß die quasi staatliche Druckerei sich weigere zu drucken – das übernahm dann der Verlag von Koha Ditore. Als Kelmendi tags darauf ins Büro ging, war der Strom abgestellt. Die Druckerei habe 20.000 Mark Vorauszahlung verlangt, berichtet der nun arbeitslose Chefredakteur, damit Buyku im Januar wieder erscheinen könne. Das Geld brachte die notorisch klamme Redaktion schließlich auf. Dann aber traf zum Jahreswechsel eine Anweisung aus Belgrad ein, die den Druckerei- Arbeitern förmlich verbot, Buyku zu drucken.

Nun schweigt die älteste der kosovo-albanischen Blätter. Zwei Monate nach der Abschaffung der Autonomie des Kosovo 1990 waren alle albanischen Zeitungen verboten worden – nur das kaum bekannte Bauernblättchen Buyku wurde vergessen. So wurde eine respektable Zeitung daraus, allerdings nur mit einer Auflage von etwa 12.000. Mehr als doppelt so viel verkauft Koha Ditore („Tageszeitung“), die ihrem Chefredakteur Veton Surroi gehört und vor allem von jungen Leuten mit wenig Berufserfahrung gemacht wird.

Die höchste Auflage (30.000) aber hat seit September die neue Kosova Sot („Kosovo heute“). Ihr Chefredakteur Ibrahim Rexhepi schickt seine Reporter (oft noch jünger als die von Koha Ditore) täglich in die entlegensten Winkel.

Besitzer Ruzhdi Kadriu, in dessen Druckerei 80 Prozent der kosovo-albanischen Schulbücher gedruckt werden, hat seine Tochter Margarita als Herausgeberin eingestellt. Die 25jährige – Outfit: Latzhose und Dreadlocks – zeigt sich von den amtlichen Drohgebärden unbeeindruckt: „Wir nennen die Dinge weiterhin bei ihrem Namen“, sagt sie, „für uns zählen nur professionelle Kriterien.“ Trotz aller Repressionsversuche ist die Presse im Kosovo immer noch freier als im übrigen Serbien.