Weißes Land in schwarze Hand

Seit Jahrzehnten warten Simbabwes schwarze Bauern auf die Umverteilung des Landes der weißen Farmer. Bisher bedienten sich vor allem Parteibonzen. Nun geht den Leuten langsam die Geduld aus  ■ Aus „Glasalla“ und „Stockholm“ Kordula Doerfler

Auf der Farm „Glasalla“ ist alles grün. Stolz steht ihr Besitzer auf einer Anhöhe und zeigt in das hügelige, fruchtbare Land. Weiter unten glitzert ein kleiner Stausee in der Sonne. „Den habe ich mit meinen Nachbarn angelegt, um uns von Dürre unabhängig zu machen.“ Obwohl die Regenzeit gerade erst angefangen hat, steht der Tabak schon hoch. Die Farmer in der Gegend um Centenary, 160 Kilometer nördlich von Harare, sind reich genug, um ihr Land künstlich zu bewässern.

Wilfamos Mashingaidze hat keine großen materiellen Sorgen, trotz der fallenden Preise für Tabak auf dem Weltmarkt. Notfalls kann er sein Land beleihen. Vor 10 Jahren hat er es mit Hilfe von staatlichen Krediten einem Weißen abgekauft, für lächerliche 120.000 Simbabwe-Dollar. Heute ist es Millionen wert, sagt er.

Unter den Großfarmen in Simbabwe liegt „Glasalla“ mit 1.150 Hektar im Mittelfeld. „Mein Nachbar hat vier Farmen,“ sagt Mashingaidze. „Das ist kriminell.“ Deswegen stehe der Nachbar auf einer Liste von Farmen, die die Regierung unter Präsident Robert Mugabe enteignen lassen und an landlose Kleinbauern verteilen will.

Seit Ende November die entsprechenden Bescheide verschickt wurden, geht unter den Großfarmern im früheren Rhodesien die Angst um. Mashingaidze kümmert das persönlich allerdings nicht, denn als „einheimischer“ Farmer ist er vor Zwangsenteignungen geschützt.

Das englische Wort „indigenous“ entscheidet in Simbabwe über Existenzen. Mit einem sogenannten „Indigenisierungsprogramm“ will die Regierung Schwarze fördern. Das klingt schön, hat in der Praxis allerdings zu einem undurchdringlichen Gestrüpp von Korruption und Vetternwirtschaft geführt. Unausgesprochen beinhaltet es auch umgekehrten Rassismus: Weiße, auch wenn sie schon seit Generationen in Simbabwe leben, sind keine „Einheimischen“. Wer als Weißer mehrere Farmen besitzt, sich dauerhaft außerhalb des Landes aufhält oder wessen Farm an sogenanntes Gemeindeland grenzt, darf nach einem Gesetz von 1992 zwangsenteignet werden.

„Die Weißen haben uns unser Land weggenommen“, sagt Ephraim Ndjaude. Er keucht in der Hitze, während er mit einem verrosteten Eisenpflug seinen Acker bestellt. Die zwei Ochsen dafür muß er sich von seinem Nachbarn leihen. In der Nähe der Farm Glasalla bewirtschaftet er zwei Hektar schlechtes Dorfland. Für seine sechsköpfige Familie reicht das bei weitem nicht. Die Böden sind ausgelaugt und überweidet, die Regenzeit hat wie in den Jahren zuvor erst spät angefangen. „Wir wollen nur zurückhaben, was unseren Vorfahren gehört hat“, empört sich Ndjaude. „Ist das etwa ungerecht? Jedem Farmarbeiter geht es besser als uns.“

Das Versprechen einer Landreform ist so alt wie das unabhängige Simbabwe. Schon während des Krieges gegen die britischen Kolonialherren war die gerechtere Verteilung des Bodens das wichtigste Ziel der Befreiungsbewegungen. Fast 19 Jahre nach der Unabhängigkeit hat sich jedoch kaum etwas geändert: 4.500 weiße Großfarmer besitzen 70 Prozent des guten Ackerlandes, während Millionen von Subsistenzbauern unter dem Existenzminimum wirtschaften. Immerhin die Hälfte des Landes ist zwar heute kommunal, ein großer Teil davon aber liegt in dürren und unfruchtbaren Gegenden im Süden Simbabwes. Schon in den 30er Jahren siedelten die Briten die Schwarzen dorthin um, während sie das fruchtbare Land unter sich aufteilten.

Bereits 600 schwarze Großfarmer gibt es allerdings mittlerweile in Simbabwe. Mashingaidze ist einer von ihnen – und einer, der sein Land tatsächlich profitabel bewirtschaftet. Das nötige Know-how dafür hat er: Bevor er Farmer wurde, arbeitete er im Landwirtschaftsministerium und später bei einer Firma für Düngemittel. „Ich bin der beste Beweis dafür, daß es nicht stimmt, daß Schwarze keine rentable Landwirtschaft betreiben könnnen“, sagt er selbstbewußt. Allerdings gibt Mashingaidze zu, daß viele Kleinbauern erst einmal ausgebildet werden müßten und auch finanzielle Unterstützung vom Staat bräuchten.

Für sein „Glasalla“ hat Mashingaidze heute nur noch wenig Zeit. Sein ältester Sohn führt dort jetzt die Geschäfte, denn Mashingaidze ist seit einem Jahr Vizepräsident des schwarzen Bauernverbandes „Zimbabwe Farmers Union“ (ZFU) und ganz nebenbei auch Bezirksvorsitzender der Regierungspartei Zanu-PF.

„Die Landreform ist eine tickende Zeitbombe“, warnt Salomon Hungwe, Präsident der ZFU. „Nach 18 Jahren geht unseren Mitgliedern die Geduld aus.“ Diese Ansicht teilt fast jeder in Simbabwe. „Als Bürger von Simbabwe wollen auch wir, daß an der Landverteilung etwas geändert wird“, sagt sein Kollege Nick Swanepoel, Präsident des Verbandes der weißen Großfarmer „Commercial Farmers Union“ (CFU). Allerdings fordern sie, daß die Umverteilung transparent und in Einklang mit bestehenden Gesetzen stattfindet – und daß sie angemessen entschädigt werden.

„Von diesem Kurs ist die Regierung abgewichen und hat damit ein riesiges Durcheinander angerichtet“, klagt Swanepoel. Tatsächlich ist die Regierung nach 18 Jahren Alleinherrschaft unter enormem Druck. Kaum ein Thema ist im Agrarstaat Simbabwe ideologisch so aufgeladen wie die Landreform. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1980 erhielten lediglich 70.000 Kleinbauern ein Stück Land, durchschnittlich 30 Hektar groß. Zugleich bedienten sich Parteibonzen großzügig unter den besten Farmen.

General Rex Nbongo, der gern mit sozialistischen Parolen hausieren geht, ist mit 17 Farmen Simbabwes größter Landbesitzer. Ihm folgt gleich Vizepräsident Joshua Nkomo, der wegen Senilität nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten darf, mit 16 Farmen. Darüber hinaus sitzt die Regierung auf etwa einer Million Hektar, die sofort umverteilt werden könnten.

Nun hat der alternde Autokrat Mugabe die Flucht nach vorn angetreten. Ohne jegliche Vorwarnung verschickte Landwirtschaftsminister Kumbirai Kangai im November Enteignungsbescheide an 841 Farmer, die schon im vergangenen Jahr auf einer ersten Enteignungsliste von insgesamt 1.500 Farmen standen.

Chronischer Unmut unter den Besitzlosen soll damit abgefangen werden. Nach geltendem Gesetz ist Enteignung grundsätzlich legal, nur müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. In den Augen der weißen Farmer und der westlichen Geberländer hat die Regierung damit allerdings gegen Abmachungen aus dem vergangenen September verstoßen. Danach sollten zunächst 118 Farmen freiwillig umverteilt werden, insgesamt mehr als zwei Millionen Hektar Land.

Die Geberländer, ohne die die Reform wegen der maroden Staatsfinanzen gar nicht durchführbar ist, wollen nun erst einmal abwarten. Insbesondere die Briten sind verärgert über Mugabes Alleingang. Der Präsident allerdings ist der Ansicht, daß Großbritannien als ehemalige Kolonialmacht die Entschädigungen zahlen muß. „Wir holen uns jetzt das Land, über Entschädigungen reden wir später“, kanzelt Mugabe seine Kritiker ab. „Es ist uns egal, was die Gerichte sagen“, stößt Joseph Msika, Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett, ins gleiche Horn. Beispielhaft laufen in seinem Büro die Fäden von Partei und Staat zusammen: Zwar muß der Landwirtschaftsminister den Kopf hinhalten, Msika aber ist Chef der alles entscheidenden ressortübergreifenden Arbeitsgruppe zur Landfrage und zugleich mächtigster Mann im Politbüro, der Schaltzentrale der Macht.

Bei der murrenden Landbevölkerung kommen seine Botschaften gut an. Erstmals taten sich jetzt landhungrige Kleinbauern mit marodierenden Kriegsveteranen zusammen. Die alten „Helden“ sind Mugabe schon lange unbequem: Im vergangenen Jahr war bekanntgeworden, daß Parteibonzen einen staatlichen Rentenfonds für die Exsoldaten geplündert hatten. Um die aufgeregten und meist bettelarmen Veteranen zu befrieden, hat Mugabe ihnen 20 Prozent des zu enteignenden Bodens versprochen. Tausende besetzten Anfang November illegal fruchtbares Farmland und erklärten es für umverteilt.

„Es war ein Alptraum“, erinnert sich Dawn Connor. „Sie saßen hier, vor unserem Wohnzimmer und trommelten und tranken die ganze Nacht.“ Die drei Wochen in diesem November werden sie und ihre Familie nie vergessen. Grüppchenweise hielten ehemalige Guerillas und aufgebrachte Kleinbauern auf ihren beiden Farmen „Oribi“ und „Stockholm“ 50 Kilometer östlich von Harare Einzug. Nach ein paar Tagen waren es um die 1.000 Menschen, die sich zu neuen Besitzern erklärten und anfingen, den Boden traditionell zu bestellen. Anderen Farmern in der Gegend erging es nicht besser.

Dawn Connor evakuierte ihre hochschwangere Tochter und ihre beiden alten Eltern in die nahe Hauptstadt. Sie, ihr Mann und ihr Sohn lebten in einer Art Belagerungszustand mit wechselnden Nachtwachen, nachdem sie mehrmals mit dem Tode bedroht wurden. Die Telefonleitungen wurden gekappt, tageweise konnte man sich nicht einmal mehr per Funk mit den Nachbarn verständigen. „Wir kennen das, das war wie damals im Krieg“, lacht die Farmersfrau.

Das Lachen verging ihr, als sogar drei Kabinettsminister unverrichteter Dinge abzogen. Drei Wochen lang wagte es niemand, gegen die Landbesetzer vorzugehen. Erst dann erhielt die Polizei den Befehl, die Farmen räumen zu lassen.

„Niemand bekommt uns freiwillig von unserem Land weg“, sagt Dawn Connor. Seit 1942 leben die Connors auf Oribi und Stockholm. Beide Farmen gelten als produktive Musterbesitze. Nun aber ist die Zukunft ungewiß, denn „Stockholm“ stand auf der berüchtigten ersten Enteignungsliste. Wegen formaler Fehler mußte sie allerdings wieder gestrichen werden. Ende November, noch während der Besetzungen, erhielten die Connors einen neuen Enteignungsbescheid. „Auch unsere Anwälte verstehen das alles nicht mehr“, seufzt Dawn Connor.