In Priština geht bei allen die Angst um

■ Nach einem Anschlag auf ein serbisches Café stürmen Serben albanische Kaffeehäuser

Priština (taz) – In Priština, der Hauptstadt des Kosovo, geht die Angst um. Auf beiden Seiten. Just am Vorabend des orthodoxen Weihnachtsfestes platzte am Dienstag abend um 8 Uhr vor einem serbischen Café im Zentrum der Stadt eine Handgranate. Vermutlich wurde sie von außen gegen das Fenster geworfen und detonierte im Innenhof. Die Fensterscheibe wurde zertrümmert, zwei Männer und eine Frau mußten vorübergehend im Krankenhaus behandelt werden. Eine Viertelstunde nach der Explosion überfielen bewaffnete serbische Zivilisten ein halbes Dutzend albanischer Kaffeehäuser. Vier Albaner wurden verwundet.

„Das waren die Islamisten“, wettert eine alte Serbin vor dem Café Cool, wo die Granate explodiert ist. Dessen Besitzer wehrt die Journalisten mit Drohgebärden ab. Daß die albanische UCK-Guerilla den Krieg nun in die Städte trägt, wie serbische Passanten befürchten, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Daß irgendein Albaner die Handgranate gezündet hat, kann ebensowenig ausgeschlossen werden wie eine gezielte serbische Provokation. Vielleicht ging es auch um eine Auseinandersetzung zwischen serbischen Gangs.

In der Tat spricht vieles gegen eine albanische Täterschaft. „Schon drei Minuten nach der Explosion kamen bewaffnete Serben vorbei“, sagt der Besitzer des albanischen Cafés Agora, das in der Fußgängerpassage liegt, in der auch die albanischen Geschäfte zertrümmert wurden, „eine Viertelstunde später zerschlugen sie mit dem Knauf ihrer Pistolen die Fensterscheiben.“ Die acht Millimeter dicken Scheiben des albanischen Cafés Ari, das gegen überliegt, weisen Einschußlöcher auf. Und im Café Excellence, ebenfalls in albanischem Besitz, ist der Boden von Glasscherben übersät. Auf den Tischen stehen halbvolle Gläser. „Die Serben stürmten das Café“, berichtet der Besitzer, „schlugen alles kurz und klein, doch verletzt wurde niemand.“

In der Fußgängerpassage herrscht dasselbe Bild der Zerstörung. Zeugen des Geschehens berichten übereinstimmend, daß die Cafés voll gewesen seien und etwa 30 zum Teil mit Pistolen und Revolvern bewaffnete Zivilisten die Fußgängerpassage gestürmt hätten. Eine Polizeipatrouille, die am Eingang der Passage gestanden habe, habe nicht eingegriffen. Vor dem Abend haben sie alle Angst. „Die Serben feiern Weihnachten, und da wird viel getrunken“, sagt einer, „aber sie haben auch Angst vor uns.“ Thomas Schmid