Lobby für den ökologischen Umbau der Wirtschaft

■ Unbekannte Größen: UnternehmensGrün plädiert für eine nachhaltige Industriepolitik

Berlin (taz) – Wer hier Mitglied ist, hat die Nase voll vom Gejammer der Industrie über zu hohe Umweltstandards. „UnternehmensGrün will ein Lobbyverband sein für alle UnternehmerInnen, die erkannt haben, daß nur eine Ökologisierung der Wirtschaft unseren Wirtschaftsstandort langfristig sichern kann“, lautet einer der Verbandsgrundsätze. 270 Firmen in der gesamten Repubik haben sich inzwischen angeschlossen – Klein- und Mittelbetriebe vom Verlag bis zum Maschinenbauunternehmen, vom Rechtsanwalt bis zur Fahrschule. Auch Leute, die leitende Positionen in anderen Unternehmen bekleiden, sind dabei.

1992 hatten gut ein Dutzend baden-württembergische Firmeninhaber die Interessensvertretung gegründet. Inzwischen gilt der Verband in Bonn durchaus als ernstzunehmende Stimme. Zwar gibt es durchaus eine Nähe zu den Bündnisgrünen – auch der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rezzo Schlauch, ist Mitglied. Doch das hält den Verband nicht davon ab, deutliche Kritik an der neuen Bundesregierung zu üben: „Mit hasenfüßig kleinen Schritten läßt sich der Reformstau nicht überwinden.“ Erst vor kurzem waren einige UnternehmensGrün-Vertreter in Bonn eingeladen, um mit Finanz- und Haushaltspolitikern von SPD und Grünen die Ökosteuervorschläge zu diskutieren. „Von den ganzen Ausnahmeregelungen für die Industrie halten wir wenig“, faßt Vorstandsmitglied Gottfried Härle die Position von UnternehmensGrün zusammen. „Da haben auch einige SPDler durchaus die Ohren gespitzt. Denn schließlich sind wir ja Unternehmer. Und wenn unsere Vorschläge durchkämen, müßten wir sie in unseren eigenen Bilanzen verantworten“, sagt Härle.

UnternehmensGrün geht es um die Förderung einer Wirtschaftsweise, die nicht auf Kosten künftiger Generationen lebt. „Ich kann nicht akzeptieren, daß Unternehmer weiterhin ans grenzenlose Wachstum glauben und letztlich nur kurzfristige Perspektiven entwickeln nach dem Motto: ,Nach uns die Sintflut‘“, sagt Johannes Angele, der einen Maschinenbaubetrieb für Rauchgasreinigungsanlagen in Ochsenhausen betreibt. Großindustrielle Strukturen sind den ökologischen Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen, so die Verbandsmeinung. Deshalb bemühen sich die Mitglieder um die Förderung einer regional orientierten Wirtschaft. Doch auch die Beschäftigung mit der Veränderung von Arbeit, sozialer Sicherung und Demokratie steht bei UnternehmensGrün auf der Agenda. Der Verband schlägt beispielsweise eine Abkopplung der Arbeitslosen- und Rentenversicherung von der Lohnsumme vor. Statt dessen sollen die hier anfallenden Kosten durch eine „Wertschöpfungsabgabe“ finanziert werden, die von Betrieben erhoben wird und sich am Unternehmensgewinn, langfristigen Kapitalzinsen und der Summe der Abschreibungen orientiert.

Auch anderswo gilt es, alte Zöpfe abzuschneiden: „Der Gegensatz zwischen ,der Wirtschaft‘ und ,den Beschäftigten‘, der in manchen ideologischen Diskursen noch immer Blüten treibt, taugt nicht zur Lösung der Zukunftsfragen.“ Die Konfliktlinie habe sich verschoben, meint UnternehmensGrün. Heute verlaufe sie zwischen Gewinnern und Verlierern der Globalisierung. Annette Jensen