Obenauf trotz Hubschrauber und Hering

■ Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Döring will als Vize ins Präsidium der Bundes-FDP

Stuttgart (taz) – Der baden- württembergische Wirtschaftsminister will höher hinaus. Walter Döring (FDP) ist beinhart ins Stützkorsett gepreßt. Das hält seine Anfang Dezember bei einem Hubschrauberabsturz auf dem Stuttgarter Flughafen gebrochenen Lendenwirbel aufrecht. Der 44jährige ehemalige Englisch- und Geschichtslehrer und wiedergewählte Landesvorsitzende strebt den stellvertretenden Bundesvorsitz im Präsidium der Partei an. Dafür steht der Rekonvaleszent den Landesparteitag der Südwest- Liberalen zwei Tage lang ebenso durch wie das Dreikönigstreffen. Das Hinsetzen und das Aufstehen bereiten ihm sichtbar Schmerzen, auch das Treppensteigen. Aber Döring wäre nicht Döring, wenn er sich davon anfechten ließe.

Zu Beginn seiner Eröffnungsrede beim Dreikönigstreffen wucherte er gestern mit dem Pfund Verletzung. Und wird nach der Bruchlandung für seinen „bärenstarken Start“ in die Bonner Oppositions-Ära gelobt. Schließlich ist eine seiner liebsten Selbstbeschreibungen, Lendenwirbel hin oder her, er sei als vehementer Vertreter der Mittelstandsinteressen das „backbone“, das Rückgrat seiner Partei.

Ein Wasserfloh sei er, soll sein ehemaliger Kabinettskollege Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) einmal gesagt haben, „hüpft überall rum und hinterläßt keine Spuren“. Döring hüpft und hinterläßt Spuren. Vor allem mediale. Für gutes Kameralicht zog er sich während des Südwest-Parteitages der FDP am Dienstag sogar am Treppengeländer hoch in den ersten Stock der Stuttgarter Liederhalle. Und wieder runter. Und hierhin und dorthin. Und wenn man sich umdreht, ist er schon wieder weg, posiert unterwegs für das Fotoalbum eines Delegierten, zieht einen anderen zum Gespräch in die Ecke.

Döring umarmt, umhalst und umschultert Gegner und Freunde, läßt sein Stützkorsett betasten, gibt Küßchen, lächelt bis zum Abwinken, gegen Abend fast wie auf Knopfdruck. Da machen ihm parteiinterne Gegner zu schaffen beim von ihm mitverantworteten Antrag 37, der der Landes-FDP einen rigiden Kurs in Sachen stärkerer Föderalismus der Bundesländer verordnet. Da wird auch sichtbar, warum der Minister mit der leutseligen Körpersprache gerne „der Boxer“ genannt wird. Seine Umarmungen können richtig rabiat sein. Döring, nebenbei Lehrbeauftragter der Fachhochschule der Polizei, knufft und haut kräftig auf Schultern und Bäuche. Der rechte Zeigefinger zielt auf Kontrahenten, als wolle der Minister gleich „Peng! Peng!“ sagen. Keine Schon-, nur vier Stunden Ausruhzeit für Döring, ehe er am Dienstag abend auch noch den traditionellen Dreikönigsball mitnimmt.

Der Mann signalisiert Präsenz durch Vorwärtsverteidigung. Kurz vor dem Hubschrauberabsturz war Döring angeschlagen. Er hatte nicht nur diverse Koalitionskräche mit Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU), sondern auch eine ganze Reihe von Affären provoziert. Die Opposition im Landtag verspottete ihn als „Vetterleswirtschaftsminister“, als er im November einer Firma die Landesmedaille verlieh, in der sein Bruder Geschäftsführer ist. Auch Parteifreunde nahmen ihm übel, daß er wegen dieses Termins die erste Lesung der Messegesetzes, das er selbst zur Chefsache gemacht hatte, versäumte. Sie waren schon sauer, denn nur wenige Tage zuvor hatte Dörings „Heringsskandal“ für lokale Schlagzeilen gesorgt. Der Minister setzte sich in einem Brief an den Polizeipräsidenten für einen Fischhändler ein, dessen anrüchige Ware von Lebensmittelkontrolleuren als für den menschlichen Verzehr ungeeignet erkannt und mit Reinigungsmittel verkaufsuntauglich gemacht worden war. Daß jener Händler seinen Stand ausgerechnet im Zelt eines Festwirtes betreibt, der gleichzeitig der Vater der neuen Lebensabschnittsgefährtin Dörings ist, stank nicht nur der Opposition.

Das bißchen Fisch schien beim Dreikönigstreffen vorerst vergessen. Walter Döring geißelte die neue Bundesregierung wie ein König ohne Land, der sich die Hegemonie mindestens da erhalten will, wo die FDP noch mitregiert, im eigenen Ländle. Daraus schöpft er seinen Führungsanspruch in Bonn. „Der Ruck“ für Deutschland müsse jetzt aus Baden-Württemberg kommen.

Die Handwerker und Selbständigen im Saal fühlten sich verstanden, als er gegen den „Etikettenschwindel“ Ökosteuer wetterte. Sie jubelten. Döring übte angestrengt Winken, Aufstehen und Setzen und Aufstehen. Die Standing ovations aber bekam ein anderer: Ex-Außenminister Klaus Kinkel. Das schmerzt. Heide Platen