Ein Medikament mit Nebenwirkungen

■ Die Hardliner in der Berliner CDU können es kaum erwarten, Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zu sammeln

Der Vorsitzende des CDU- Ortsverbands Oranienplatz im Herzen von Berlin-Kreuzberg kann es kaum erwarten. Matthias Stefke will im Stadtteil mit dem höchsten Ausländeranteil – 34,4 Prozent – Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sammeln. „Ich hoffe, daß die Parteiführung das schnell formal beschließt, damit wir endlich mit Ständen raus können“, sagte Stefke gestern. „Wenn wir morgen von der Bundespartei die Formblätter bekommen, sind wir am Wochenende auf der Straße.“

Seine Zuversicht bezieht der Baustadtrat „aus vielen Gesprächen“ mit der deutschen Bevölkerung. „Da gibt es einen großen Teil, der der Auffassung ist, daß sich Ausländer entscheiden müssen“, so Stefke. Vor rechten Trittbrettfahrern hat er keine Angst. „Die CDU Deutschland, die CDU Berlin und die CDU Kreuzberg muß die Partei sein, die die Leute auffängt, so daß gar kein rechtes Spektrum entsteht.“

Auch der Berliner CDU-Generalsekretär Volker Liepelt verspricht der Bundespartei volle Unterstützung. „Aus der Vielzahl von sachlichen Gründen wird die Berliner CDU die geplante Unterschriftenaktion nach Kräften unterstützen“, erklärte er. Die Staatsbürgerschaft dürfe nicht „zur beliebigen Clubmitgliedschaft umgewidmet werden“. Wenn dies drohe, sei es in einer Demokratie legitim, mit der Sammlung von Unterschriften gegensätzliche Auffassungen zu artikulieren. Die doppelte Staatsbürgerschaft löse „gerade in Berlin kein einziges Problem im Zusammenleben mit Ausländern“, sondern schaffe nur „zusätzliche Ursachen für Desintegration“.

Nach Ansicht von Liepelt sind die rot-grünen Pläne zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft „ein internationaler Lockruf für verstärkte Zuwanderung nach Deutschland und Europa insgesamt“. Der Generalsekretär fürchtet in einer Stadt mit einem Ausländeranteil von 13 Prozent „unlösbare Probleme“.

Auf wenig Gehör stieß kürzlich der CDU-Kultursenator Peter Radunski, als er in einem Interview „ein klares Einwanderungsrecht“ forderte. Nach Ansicht des einstigen Kohl-Vertrauten hat es keinen Sinn, „sich in rechtliche Kämpfe über die doppelte Staatsbürgerschaft zu verstricken“. Doch die Mehrheit der Berliner CDU sieht das anders. Nach Angaben des CDU-Geschäftsführers Matthias Wambach gibt es in der Partei „durchaus unterschiedliche Auffassungen“ zu dem Thema. Doch die überwiegende Mehrheit lehne das Vorhaben der rot-grünen Regierung ab.

Nur der liberale Minderheitenflügel der Berliner CDU ist wenig glücklich mit dem CDU/CSU- Vorstoß. Dessen Vertreter fordern eine differenzierte Diskussion des „hochsensiblen Themas“ doppelte Staatsbürgerschaft. Auch die Junge Union wehrt sich, die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft zu emotionalisieren. „Wir sehen zu, daß wir mit der Lage in Berlin deutlich vorsichtiger umgehen“, sagte deren Sprecher Ferdinand Schuster. Das Vorhaben, verstärkt Ausländer für die Partei zu werben, könne durch die Unterschriftensammlung erschwert werden. Die Aktion sei wie ein Medikament, so Schuster weiter, „das wirksam sein kann, aber auch gewisse Nebenwirkungen haben kann“. Es sei fraglich, ob diese von der Bundesspitze der CDU berücksichtigt wurden. Barbara Bollwahn de Paez Casanova