Klassenkampf statt Schlepperkrieg

■ Bremens Schlepper-Reedereien haben Konkurrenz aus Holland bekommen / Nun sollen die Schlepper-Crews länger arbeiten

„Der Schlepperverkehr an den Kajen in Bremerhaven funktioniert reibungslos“, vermeldet Ingulf Piorkowski, Leiter der Hafenabteilung beim Bremer Häfensenator. Mit Argusaugen beobachtet er derzeit die Verkehrsströme rund um den Containerhafen, weht doch seit Jahresbeginn von Holland her ein scharfer Wind in den Gewässern der Bremerhavener Schlepperwirtschaft. Jahrzehntelang hatte sich eine Arbeitsgemeinschaft von drei Reedereien den 34-Millionen-Kuchen der Bremerhavener „Seeschiffsassistenz“ geteilt – seit dem 1. Januar 1999 aber wildert, mit dem vollen Recht europäischer Niederlassungsfreiheit, die holländische Firma Kotug im Revier und greift seither die Hälfte der Umsätze ab. Die bessere Hälfte: Sieben der zehn größten Reedereien lassen jetzt ihre Pötte von der Kotug an die Columbuskaje hieven.

Anno 1996, als die Kotug erstmals den Hamburger Hafen enterte, gab es deshalb einen veritablen Schlepperkrieg. In Bremen hingegen herrscht dieser Tage Ruhe. Klassenkampf heißt die Frontlinie, auf die sich die ansässigen Reedereien eingeschossen haben: Seit Monaten toben die Tarifauseinandersetzungen mit den Kapitänen, Maschinisten und Matrosen. Hart am Wind argumentiert Michael Schroif, Geschäftsführer der Unterweser-Reederei (URAG): Um konkurrenzfähig zu bleiben, sollen die Bremer Belegschaften von zehn Mann pro Schlepper auf sieben Mann reduzieren. „Wir müssen runter auf Kotug-Niveau“, verkündete er am Dienstag über NDR3. Wenn sich die ÖTV-Tarifkommission dazu nicht bereit erkläre, müsse er sich eben nach neuem Personal umschauen. Seit 1995, kontert der URAG-Betriebsratsvorsitzende Rolf Harm, habe man die Zahl des Bordpersonals von 185 auf 81 verringert – doch die Drohungen mit der Kotug-Keule wolle man jetzt nicht mehr hinnehmen: „Keiner weiß, unter welchen Bedingungen die Leute bei dem Holländer arbeiten. Auch Schroif nicht.“

Die Bremer Reedereien wollen in den Tarifauseinandersetzungen das bisherige Drei-Schichten-System an Bord der Schlepper zum Kentern bringen. Noch sind die dreiköpfigen Crews im 3-Tage-Rhythmus Tag und Nacht an Bord und gehen dann für sechs Tage nach Hause. Die Reedereien hingegen drängen in den seit Oktober laufenden Verhandlungen auf eine Bordpräsenz, die zur Freizeit im Verhältnis von eins zu eins steht. „Der Arbeitgeber will uns von 240 Monatsstunden an Bord auf 360 Stunden hochjagen“, errechnet der Betriebsratsvorsitzende Harm. Am 5. Februar werden die in dieser Woche ergebnislos abgebrochenen Verhandlungen fortgesetzt. Den Hochsee-Reedereien aber bieten die Bremer, nach Aussage des URAG-Geschäftsführers, ihre Dienste inzwischen zu günstigeren Preisen als die Holländer an.

Für verantwortlich für die verfahrene Situation hält URAG-Chef Schroif auch den Bremischen Häfensenator. Dieser hätte verhindern müssen, daß sich eine einzelne Reederei die Sahnestücke vom Schlepper-Kuchen abzweigt. Und tatsächlich hatte das Häfenressort schon während des Schlepperkrieges 1996 angekündigt, man werde im Schlepperverkehr eine Bedienungspflicht für alle Hafenkunden einführen. Seit dem 2. April 1997 gibt es solch eine Regelung: Ein Bremer „Seeschiffsassistenzunternehmen“, heißt es da, muß „eine ausreichende Anzahl“ von Schleppern für den „uneingeschränkten 24-Stunden-Betrieb“ unterhalten. Zur Verschiffung der Lotsen rüber zu den Ozeanriesen aber, die zu den eher brotlosen Aufgaben der Bremer Arbeitsgemeinschaft gehört, wurde die Kotug trotzdem noch nicht verpflichtet. ritz