Gute Geschäfte unter guten Freunden

Wenn der australische Konzern ANI einen seiner maroden Berliner Betriebe verkaufen wollte, hat dies Geschäftsführer Ditmar Staffelt geregelt. In landeseigenen Unternehmen fand der SPD-Politiker willige Käufer  ■ Von Mathew D. Rose

Berlins Westhafen im Dezember: Zwischen den Lagerhallen, Silos und Schrottplätzen herrscht winterliche Tristesse. Der Staub, der sich von den Verladeanlagen aus über das Gelände verteilt hat, bedeckt die Kaianlagen mit einem Grauschleier. Seit der Schließung der Boran Bodenreinigungsanlage Ende Oktober wirkt das Werksgelände wie ausgestorben, 40 Arbeitsplätze gingen verloren.

Bei der Rowitec Müllverbrennungsanlage auf dem Betriebsgelände der Berliner Stadtreinigung in Ruhleben herrscht im Gegensatz dazu reger Betrieb. Die vielen Mitarbeiter haben auch viel zu tun. Trotz zusätzlichen Personals kommt die Anlage immer wieder ins Stocken. Durch die Betriebsausfälle und die unvorhergesehenen hohen Personalkosten ist die Anlage ebenso unrentabel wie die Boran-Anlage.

Die Anlagen, auch wenn sie weit auseinander liegen, haben einige Gemeinsamkeiten: Beide wurden Mitte 1997 an die BSR und Berliner Wasserbetriebe (BWB) verkauft. Der Verkäufer beider Anlagen war der Weltkonzern Australian National Industries (ANI) und beide hatten unter der ANI- Regie denselben Geschäftsführer: den jetzigen SPD-Bundestagsabgeordneten Ditmar Staffelt.

Loyalitätskonflikt oder alltäglicher Filz?

Den renditebewußten Australiern gelang es, insgesamt drei Betriebe für 240 Millionen Mark an die landeseigenen BWB und BSR loszuschlagen. Das damalige Berliner Abgeordnetenhaus-Mitglied Staffelt war an dem Verkauf beteiligt. Klassischer Loyalitätskonflikt eines Lobbyisten oder alltäglicher Berliner Filz? Jedenfalls praktisch – Staffelt war nicht nur ANI-Statthalter in Deutschland, sondern auch Vorsitzender des für die Kontrolle der landeseigenen Betriebe zuständigen Parlamentsausschusses.

Staffelt, 49, saß von 1979 an im Berliner Abgeordnetenhaus, bis er bei den letzten Bundestagswahlen ein Mandat für Bonn erhielt. Im März 1995 kehrte der promovierte Historiker zur Hölter-Gruppe zurück, für die er bereits in den achtziger Jahren als Angestellter tätig war. Die neuen Besitzer der Hölter-Gruppe, ANI, ernannten den Ex-Angestellten Staffelt zum Vorstandsmitglied ihrer Holding und zum Geschäftsführer mehrerer Hölter-Firmen in der Bundesrepublik. Staffelt, der für den kaufmännischen Bereich zuständig war, leitete unter anderem das Büro der Holding in Berlin und zwei ihrer Anlagen in der Hauptstadt.

Die Australier, die wegen ihrer unrentablen deutschen Investitionen Rekordverluste verbuchten, hatten nichts anderes im Sinn, als die marode Hölter-Gruppe zu veräußern. Ditmar Staffelt war der Geschäftsführer von zwei dieser Firmen, die ANI an die Berliner BSR und BWB veräußerte. Über seine Funktion bei den Verkäufen äußert sich Staffelt ungern. Besser gesagt, nur schriftlich. Und auch dann faßt sich der sonst redselige Genosse kurz: „In meiner Eigenschaft als Geschäftsführer“ sei er tätig gewesen.

Für 17 Millionen Mark erwarben die BSR und BWB die ANI- Tochter Boran Bodenreinigungs GmbH, deren Geschäfte Staffelt führte. Die Anlage reinigt – zumindest theoretisch – kontaminiertes Erdreich. Praktisch konnte sie jahrelang wegen technischer Schwierigkeiten nicht in Betrieb gehen.

Während die expansionswütigen Wasserwerker schnell beschlossen, 51 Prozent von Boran zu übernehmen, wurden im BSR- Aufsichtsrat skeptische Stimmen laut. Ein Gutachter im Auftrag der BSR hatte technische Mängel festgestellt. Aus dem Aufsichtsratsprotokoll ist zu entnehmen, daß Wirtschafts-Staatssekretär Dieter Ernst (CDU) die Transaktion trotzdem vorantrieb.

Der BSR-Vorstand war immerhin so schlau, den Kauf von einem erfolgreichen Dauerbetrieb bis Ende Juni 1998 abhängig zu machen. Tatsächlich kam es, das bestätigen BWB-Unterlagen, zu „wiederholten Betriebsstörungen“, allein im Juni wurde die Anlage viermal abgeschaltet. Trotzdem wurde die Anlage im Juli 1998 übernommen. Die ANI mußte lediglich auf ein Viertel des Kaufpreises verzichten. Vier Monate später wurde die Anlage dichtgemacht. Die BSR weist die Verantwortung für das Fiasko von sich: „Die BWB als Mehrheitsgesellschafter hat die Geschäfte geführt.“ Das streitet die BWB ab.

Nicht viel besser funktionierte die Müllverbrennungsanlage in Ruhleben, deren Verkauf an die Stadtreinigung Staffelt ebenfalls in Wahrung seiner Geschäftsführerpflichten voranbrachte. Für 79 Millionen Mark erwarb der öffentlich- rechtliche Monopolbetrieb BSR die GEB Gesellschaft zur Energieerzeugung mbH.

Die Firma hatte bereits 1989 damit begonnen, auf einem BSR- Betriebsgelände eine Wirbelschichtfeuerungsanlage (Rowitec- Anlage) zu bauen, die allerdings wegen permanenter Pannen nicht in Betrieb ging. Die ANI sah sich gezwungen, die GEB in ihrem Geschäftsbericht 1996 vollständig auf „Null“ abzuschreiben.

Trotz einiger in einem Gutachten festgestellter Mängel kaufte die BSR die verkorkste Anlage. Erneut entnimmt man dem Aufsichtsratsprotokoll die persönliche Intervention von CDU-Staatsekretär Ernst. Erneut bestand der BSR-Vorstand auf einer Funktions-Garantie: ein erfolgreicher vierwöchiger Dauerbetrieb bis Ende Juni 1998. Da sie nur stockend lief, platzte der Vertrag tatsächlich.

Die BSR will allerdings auch hier nicht vom Kauf Abstand nehmen. Die Verhandlungen zwischen ANI und der BSR laufen weiter. Obwohl die Anlage wegen der Betriebsunterbrechungen und der zusätzlich benötigten Mitarbeiter bis heute nicht wirtschaftlich betrieben werden kann.

Wirtschaftlich gebe es keinen Grund für den Kauf, meint Harald Wolf, PDS-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus: „Die Zeiten sind hoffentlich vorbei, wo auf Grund guter Beziehungen und unter Subvention von Freunden einfach zweistellige Millionbeträge zu Lasten der öffentlichen Hand verschoben werden.“

Die Bank verbreitete geschönte Daten

Eine dritte ANI-Firma, die in der Statthalterzeit Staffelts bei den Berliner Wasserbetrieben entsorgt wurde, war die SHW Hölter Wassertechnik GmbH. Der Wasseranlagenbauer und -betreiber wurde im April 1997 für rund 150 Millionen Mark an die Wasserwerke losgeschlagen. Alle anderen Mitbewerber hatten einen deutlich geringeren Preis geboten.

Die Transaktion wurde von der Barings Bank organisiert, die in einem Verkaufsmemorandum äußerst optimistische Wirtschaftsdaten der Firma verbreitete. Einige Widersprüche freilich, wie etwa die hohen Umsätze und Gewinne bei kaum vorhandenen Aufträgen, waren schwer zu übersehen.

Zumindest dem BWB-Aufsichtsratsmitglied Karl Rudolph, Deutschlands Abwasser-Papst, erschien die Darstellung geschönt und er teilte seine Zweifel dem damaligen BWB-Aufsichtsratsvorsitzenden, Berlins Ex-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU), mit. In einem Brief stellte Rudolph die Prognosen der Barings Bank in Frage. Während ein anderes Aufsichtsratsmitglied erklärt, daß der Brief ihm nicht vorgelegen habe, wollte Pieroth sich nicht äußern.

Daß Staffelt am Verkauf von SHW beteiligt war, wird allseits abgestritten. Sogar die Barings Bank, bei der nicht angefragt wurde, sah sich veranlaßt, auf Staffelts Nichtbeteiligung an den Verhandlungen hinzuweisen. Ida Schillen, baupolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und Kennerin von Filzpraktiken, meint: „Solche Deals werden weder öffentlich noch vor Zeugen erledigt, sondern unter vier Augen per Telefon oder im Restaurant.“

Laut dem BWB-internen Halbjahresbericht wird für das Geschäftsjahr 1998 der SHW mit einem Verlust – statt der von Barings vorhergesagten 13 Millionen Mark Gewinn – gerechnet. Dazu will die BWB keine Stellung beziehen.

Deals werden unter vier Augen erledigt

Ganz sauber mag diese Berechnung auch nicht sein. Bei einer Auftragsvergabe der BWB von acht Millionen Mark an SHW für Luftaufnahmeanalysen wurde hausintern bemerkt, daß der Auftrag ohne Ausschreibung entgegen „dem EU-Vergaberecht“ erfolgte. Wieviele weitere lukrative Geschäfte sie der SHW zuschoben, wollte die BWB nicht preisgeben.

Solche Geschäfte sind im Vergleich zu der anstehenden Privatisierung der Wasserbetriebe harmlos. Das Land will zwei Milliarden für das Monopolunternehmen. Auf einem Sonderparteitag im Juli vorigen Jahres plädierte Staffelt in einer Brandrede für den Verkauf an einen deutschen Anbieter.

Zwei Tage später war zu erfahren, daß die Veba-Tochtergesellschaft Preussenwasser ein „grundsätzliches Interesse“ an den Wasserbetrieben habe, und – ein Schuft, der Schlechtes dabei denkt – Staffelt wurde Anfang 1998 Geschäftsführer der Veba-Kommunalpartner GmbH.