Anwälte feiern Elefantenhochzeit

Zusammenschluß von Rechtsanwaltskanzleien steht hoch im Kurs. Durch die Bildung überregionaler Sozietäten wird der Markt für einzelne Anwälte enger  ■ Von Plutonia Plarre

Nicht nur bei Automobilfirmen sind Elefantenhochzeiten hoch im Kurs, wie das jüngste Beispiel von Daimler-Chrysler zeigt. Auch Anwaltssozietäten paaren sich wie wild. In Berlin gaben gestern die Rechtsanwälte Peter Danckert, Hans-Georg Meier und Ingolf Böx bekannt, daß sie sich zu einer Großkanzlei zusammengeschlossen haben.

Die neue Sozietät wird mit 40 Anwälten in Berlin, Hannover, Hamburg und Potsdam vertreten sein. Danckert, der für auch für die Brandenburger SPD im Bundestag sitzt, ist durch die Vertretung des früheren DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski bekannt. Böx führt in Norddeutschland eine der größten Wirtschaftskanzleien und Meier gilt bundesweit als renommierter Arbeitsrechtler.

Auch wenn es das Trio gestern nicht so recht wahrhaben wollte: Durch die Bildung von Großkanzleien wird der Markt für Einzelanwälte und kleine Sozietäten zunehmend enger. Nach Angaben des Deutschen Anwaltsvereins gibt es in Deutschland mittlerweile rund 100.000 Rechtsanwälte, ein gutes Viertel davon sind Frauen. Innerhalb der letzten zehn Jahre ist der Markt regelrecht explodiert. 1988 waren es etwas mehr als 50.000 Anwälte. Die größte Anwaltsdichte gemessen an der Zahl der Einwohner hat Hamburg, an zweiter Stelle kommt die Bankenstadt Frankfurt am Main gefolgt von Köln, München und Berlin, wo es zur Zeit rund 6.500 Anwälte gibt.

„Durch die große Zunahme ist die Gefahr des Scheiterns besonders groß geworden“, weiß Swen Walentowski, Öffentlichkeitssprecher des Deutschen Anwaltsvereins. Ebenso wie in anderen akademischen Berufen gibt es auch für Juristen heutzutage keine Arbeitsplatzgarantie mehr. Die Großkanzleien tun ein übriges, um diesen Trend zu verstärken. Die Zahl der Partnerschaftsgesellschaften hat sich in den vergangenen Jahren vervierfacht. Laut Deutschem Anwaltsverein gibt es mittlerweile an die 300 überregionale Zusammenschlüsse.

Ingolf Böx vertrat gestern die Auffassung, daß der Markt für Anwälte durch die Bildung von Konsortien nicht enger wird. „Das Leben amerikanisiert sich, und es wird immer mehr Rat gesucht“, sagte Böx, indem er auf zunehmende Anforderungen, wie das zum Jahresanfang in Kraft getretene Insolvenzrecht, verwies. Durch die Konzentration von Spezialisten in Großkanzleien werde den Mandanten ein kompletter Service geboten, pries er seine Innovation. Natürlich könne dies dazu führen, „daß es im Randgeschehen enger wird“, räumte Danckert ein. „Die Zeiten des Hausanwaltes sind vorbei.“

Genau aus diesem Grund wird der Zusammenschluß von Großkanzleien in Anwaltskreisen argwöhnisch beobachtet. Die zunehmende Spezialisierung bedrohe nicht nur so manchen kleinen Wald- und Wiesenanwalt des Berufsstandes, so heißt es, sondern lasse auch manchen rechtssuchenden Bürger mit seinem Problem allein. Für manche Mandanten gehe es nämlich nicht um ein hochspezialisiertes Fachgespräch, sondern um praktische Lebenshilfe, die nur bei guter Kenntnis der Lebensumstände eines Betreffenden zu leisten sei. Das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt drohe auf der Strecke zu bleiben.

In Berliner Anwaltskreisen wird gemunkelt, daß Berufsanfänger in manchen Großkanzleien regelrecht ausgebeutet würden. Es müsse fast rund um die Uhr gearbeitet werden und der Konkurrenzdruck sei immens. Zumindest was ihre Großkanzlei angeht, traten Danckert, Böx und Meier solchen Gerüchten gestern entschieden entgegen. „Wir beuten uns selber aus, aber bestimmt nicht unsere jungen Kollegen“, sagte Meier. Natürlich müsse jeder, der in der Sozietät bestehen wolle, hart und gut arbeiten.

Finanziell in die Karten gucken ließ sich das Trio nicht. Die Sozietät besteht aus elf Senior- und Junior-Partnern, die übrigen sind Angestellte und freie Mitarbeiter. Die Einnahmen werden zwischen den Partnern nach einem ausgeklügelten Punktesystem verteilt, mehr Punkte bedeuten mehr Geld. Die wirtschaftliche Verantwortung und das Sagen haben offenbar aber die Senioren.

Der Vorsitzende der Berliner Anwaltskammer, Bernhard Dombek, befürchtet, daß das zunehmende Gedränge auf dem Anwaltsmarkt dazu führen könnte, daß die Sitten schlechter werden, indem die Anwälte versuchen, sich gegenseitig im Preis zu unterbieten.